Olle Zöpfe vs. neue Freiheiten
Manchmal frag ich mich, warum wir es uns eigentlich so schwer tun. Klar, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, dann sieht man das sich die Gesellschaftsstrukturen verändern - aber in diesen Veränderungen lässt man sich dann verstricken und lebt in der Spannung zwischen Altem und Neuem.
Besonders in Beziehungen wird das dann relativ schnell schmerzhaft: Einerseits haben wie die "alten" Ideale, mit Treue, Vertrauen, Rückhalt und dem Versprechen, sich immer zu lieben - und andererseits die "neuen", bei denen Freiheit, Offenheit, Toleranz der individuellen Bedürfnisse über denen der Gemeinschaft stehen.
Klingt alles wunderbar. Olle Zöpfe schneiden wir ab, denn erfüllen kann diese Ideale sowieso keiner, immer - und dann haben wir ALLES, und nix.
Als Single das Leben genießen kann dann toll aussehen; viele Dates, viele Gespräche, ständig was neues lernen im Bett und außerhalb. Wir verstehen uns mit unseren Partnern prima und respektieren wenn die das Bedürfnis nach fremder Haut ausleben wollen, haben drei Partner gleichzeitig - einen für den Kopf, einen für den Spaß, einen fürs Bett.
Aber am Ende, wenn jeder so lebt, sind alle allein. Wenn es keine 1:1-Beziehung gibt und ich weiß, der andere ist nur ein Teilzeitgegenüber, wem kann ich mich dann noch 100%ig anvertrauen? Bei wem kann ich mir sicher sein, das die persönlichen Bedürfnisse nicht im nächsten Moment gegen mich entscheiden - und kann dann nicht mal kämpfen, denn das wäre ja sowas von intolerant.
Nennt mich altmodisch, aber ich glaube nicht an den "Neuen" Kram. All das mag toll klingen, aber wenn es hart auf hart kommt, ist da kein Rückhalt. Liebe, Treue, Vertrauen machen dagegen eine Menge Arbeit, manchmal ist da kein Platz für Toleranz von Bedürfnissen; hier zählt das Zusammensein. Man kann die Ideale nicht immer komplett erfüllen, aber man kann den Willen aufbringen, es immer wieder zu versuchen, und das Unvermögen gemeinsam mit dem Partner anzugehen. Man kann sich dann sogar mal ein bisschen ändern, und aufhören, die eigenen Persönlichkeitsgrenzen bis zum Zerbrechen zu verteidigen. Die ollen Zöpfe mögen alt sein, aber sie tragen eine Menge Last.