Ich war 16 und es war einen Tag vor Heiligabend...
Sie ist 20 cm lang und zwischen 0,7 und 2 cm breit.
Ihr Verlauf beginnt kurz unter meinem Sternum und schmiegt sich in einer sanften Kurve um den linken Rippenbogen, und fast hätte sie den Hüftknochen erreicht... und sie ist tief. Meinen Rundungen versucht sie sich mit Eleganz nicht zu widersetzen, aber da mache ich es ihr nicht ganz so leicht.
Ich liebe sie.
Sie erzählt für den der lesen möchte und kann über Verwandlungen in meinem Leben, über das junge Mädchen, über Ärzte, über Cortison und hilflose Eltern.
Und mir sagt sie unentwegt: Du hast überlebt.
Als mein geliebter Mann und ich unsere erste Nacht verbrachten, hatte ich mir sowas von keine Gedanken über sie gemacht, bis er zart mit dem Finger über sie hinstrich und sagte: "Was ist das denn, tut das noch weh?"
Später sprachen wir immer wieder über unsere ungewöhnliche Geschichte, und als sein erster Blick auf meinen Leib fiel war sein Gedanke: "Saustark, beneidenswert..."
Er mag Narben in jeder Art, ungewöhnlich zugegebenermaßen, aber liebevoll bis ins letzte.
Ein Film, der mit dem Thema ausgestattet ist, heißt "Frida"; es wird aus vielen interessanten Perspektiven beleuchtet. Nun ist Salma Hayek eine schöne Frau, und Narben aus der Maske verunstalten sie nicht wirklich, sie sind eher ein Hinweis auf persönliches Leid und regen an, uns mit den Menschen selbst zu beschäftigen.
Wenn wir den Menschen vor uns wahrnehmen und ihn annehmen wie er ist, findet eine Kommunikation statt, die öffnet und beide für einander bereit macht, in welcher Form auch immer.
Sieht unser Auge nur die Optik der Narbe und nimmt unser Blick nicht den Weg durchs Herz, so urteilt das Ego oft lediglich abweisend, vielleicht vorurteilsbehaftet.
Wir Menschen sind nicht die gezeigte Show die man oft vorgegaukelt bekommt und die Illusion des Perfekten, sondern hinter jedem perfektionistischem Abbild der heutigen Zeit steht eine erlebte Individualität.
Herzlichst
Frau unser beider