„"Ich könnte ja gleich die Frage hinzufügen, ob ich etwas dagegen habe, wenn meine Tochter als Prostutuierte arbeiten gehen würde..."
Eine spannende Frage @********love.
Dürfte bei den Befürwortern der Aussage: "Ist doch ein Beruf wie jeder andere", leicht zu beantworten sein.
Kein Problem, wenn die Freunde bei einem Herrenabend süffisant über die Dienstleisterqualitäten des Töchterchen pholosophieren.
Hier sind ja schon zwei Punkte, die total daneben sind.
Nein, ich hätte per se erstmal kein Problem damit, wenn ich ein Kind hätte, das Sexwork macht. In meinem Fall ist meine Tochter allerdings Autistin und hat bisher gezeigt, dass sie gewisse Probleme mit sozialer Interaktion, Empathie, vor allem aber Verantwortung und Reaktion auf sich verändernde Umstände hat. Sie ist schnell überfordert und reagiert darauf entweder mit Wut, oder mit Apathie. Es wäre also leicht, sie komplett zu überfahren und sonstwas zu verlangen, ohne dass sie in der Lage wäre, sich zu wehren. Auch Gefahren kann sie kaum einschätzen, was in ihrem schulischen Umfeld von den Verantwortlichen berücksichtigt wird.
Sollte sich das im Laufe ihres Lebens nicht signifikant ändern, wäre meine Tochter generell für viele Berufe ungeeignet, die Flexibilität, Gefahreneinschätzung, hohe Eigenverantwortung und hohe Empathie voraussetzen. Ganz zu schweigen davon, dass ich (und Fachmänner) aktuell noch nicht so richtig einschätzen können, wie sich ihre Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung entwickeln wird.
Von daher: Nein, ich hätte per se kein Problem mit einer Tochter im Sexwork, aber ich bin recht überzeugt davon, dass MEINE Tochter das nicht tun sollte.
Was den anderen Punkt betrifft: Das ist halt so ein Klischeeszenario, dass angebliche "Freunde" sich bei einem über die sexuellen Qualitäten der Sexworker-Tochter auslassen. Dass so ein Fall eintritt, halte ich für mehr als unwahrscheinlich.
Ansonsten fällt mir nur noch ein:
Viele berichten häufig, dass ihre negative Haltung zur Prostitution/Sexwork daher rührt, dass sie in irgendeiner Form mal beratend tätig gewesen wären, oder Verbindungen zu Beratungsstellen gehabt hätten.
Nun, ich gehöre auch dazu. Ich bin vor Jahren durch eine in Hamburg in einer Beratungsstelle tätigen Bekannten tiefer in dieses Gewerbe vorgedrungen. Und kann insofern bestätigen: Sexworker, die solche freiwilligen Beratungsstellen aufsuchen, tun das in aller Regel so gut wie immer, weil sie Probleme haben. Seien es Drogen, Zwang, Gewalt, oder weil sie aussteigen wollen. Ich denke, es liegt in der Natur der Sache, dass Beratungsstellen primär von Menschen aufgesucht werden, die Hilfe brauchen. Sexworker, die diese Hilfe nicht brauchen, gehen dort in der Regel auch nicht hin. So kann sich natürlich ein extrem einseitiges Bild des Gewerbes ergeben.
Medial wird das Thema meines Erachtens auch nicht besonders klug aufgegriffen. Zumindest meinem Eindruck nach kommen dort häufig nur zwei Arten von Frauen zu Wort: Aussteiger (oder die, die auf absehbare Zeit aussteigen wollen) und Dominas. Erstere sind sehr häufig Opfer von Gewalt und Not gewesen, zweitere arbeiten in einem Zweig der Prostitution, der viel weniger als üblich mit klassischem Geschlechtsverkehr zu tun hat und die Dienstleisterin in eine für das Gewerbe normalerweise unüblich hohe Machtposition rückt.
Die private Sexworkerin, die Haus- und Hotelbesuche macht und vielleicht höchstens acht Kunden pro Woche hat, die interessiert halt niemanden.
Durch die Verbindung mit der Beratungsstelle meiner Bekannten habe ich sehr viel Leid und teilweise absolute Horrorstories miterlebt. das Wort "Debris" hörte ich zum Beispiel hier zum ersten Mal, noch bevor ich davon aus der BDSM-Szene hörte.
Aus dieser Verbindung heraus bekam ich aber auch Kontakte zu Sexworkern (weiblich UND männlich), die diesen Job freiwillig und sehr gerne machen - sie sind aber in der Regel keine Gäste in Beratungsstellen, sondern Menschen, die man über andere Kanäle kennenlernt.
Ein Verbot der Prostitution eliminiert Prostitution nicht. Sie macht es Menschen darin aber deutlich schwerer bis nahezu unmöglich, sich bei erfahrener Gewalt und Zwang Hilfe zu suchen, weil sie sich damit outen müssten, einer illegalen Beschäftigung nachzugehen. Sie unterstützt auch kriminelle Freier, die dieses Dilemma ausnutzen und gewalttätig agieren können, ohne befürchten zu müssen, dass die Frau zur Polizei oder zu einer Beratungsstelle geht.
Man unterstützt Frauen in ihrer (sexuellen) Selbstbestimmung auch nicht, indem man ihnen genau diese verbietet.