„@ Kailyn Du gehst also davon aus, dass jemand Medizin studiert weil er in finanzieller Not steckt? Das ist falsch!
Jemand arbeitet, um finanzieller Not zu entgehen. Darum geht es. Welche Art von Arbeit er dabei wählen möchte, ist seine Sache. Die grundsätzlichen Gelegenheiten sind hier erstmal für jeden gleich. Jeder Mensch (hier) hat das Recht auf Bildung und das wird zumindest in Deutschland sogar mit einer neunjährigen Schulpflicht umgesetzt.
Gleiche Möglichkeiten bedeuten aber natürlich nicht gleiche Ergebnisse, da jeder Mensch individuell ist, individuelle Fähigkeiten, Ressourcen und Kapazitäten hat. Und Interessen!
Ein anerkanntes Studium setzt in der Regel einen bestimmten Schulabschluss und je nach Fachrichtung einen speziellen Notendurchschnitt voraus. Dass diese Kriterien nicht jeder Mensch erfüllt - erfüllen kann - ist normal. Wir sind nicht alle gleich.
Gleichwohl ist ein Studium nicht "besser" als eine Berufsausbildung oder eine selbstständige Tätigkeit.
Die Notwendigkeit, manchmal Jobs auszuüben, die man ätzend findet, weil man gerade Geld braucht, findet man überall und in sehr vielen Berufszweigen. Nicht jeder macht seine Arbeit gerne - Spaß an der Arbeit ist aber per se erstmal kein Legitimationskriterium für Arbeit an sich.
Im Bereich der freiwilligen Sexarbeit kenne ich mittlerweile einige Studenten (männlich und weiblich), die sich ihr Studium mit Sexwork finanzieren, weil sie keinen Kredit welcher Art auch immer aufnehmen wollen, auf dem sie später jahrelang hocken bleiben, und weil Sexwork für sie selbst ein guten Kosten-Nutzen-Faktor hat. Das sind in aller Regel junge Menschen, die sehr wenige - wenn überhaupt - Probleme damit haben, mit fremden Menschen Sex zu haben.
Das heißt: Ja, sie machen diesen Job primär, weil sie das Geld brauchen/wollen, aber sie machen den Job auch, weil dieser von allen Auswahlmöglichkeiten für sie selbst am profitabelsten und komfortabelsten ist. Eine junge Sexworkerin hier aus Berlin, die ich kenne, hat die Vorstellung, sie müsse irgendwo kellnern oder Regale auffüllen, als buchstäblich albtraumhaft beschrieben.
Jemand, der aus starker finanzieller Not der Prostitution nachgeht UND dabei aber kreuzunglücklich ist und das eigentlich überhaupt nicht machen möchte, dadurch auch traumatisiert wird, hat definitiv Hilfe verdient und sollte sich an entsprechende Beratungsstellen wenden. Manchmal wissen betroffene auch tatsächlich nicht, dass es Alternativen für sie gibt, gerade wenn es um Personen geht, die zum Beispiel die Landessprache nicht sprechen, keine Ausbildung haben, sich mit dem Arbeitsmarkt und Sozialsystem hier nicht auskennen, etc. Es ist wichtig, dass Menschen genügend Informationen erhalten, um eigenständige Entscheidungen für ihr Leben zu treffen.