Einen Unterschied zwischen Menschen, die einen auf der Straße ansprechen, weil man ihnen dort aufgefallen ist, und jenen, die einen auf der Straße ansprechen, weil sie einen von Joy (oder manchmal auch einer anderen Social Media Plattform) erkannt haben, gibt es (manchmal) schon. Zumindest sind das Fälle, die mir passiert sind und die ich auch schon von anderen Frauen mitbekommen habe.
Mir ist es passiert, dass Männer mich erkannt haben. Ich sie aber nicht.
Auch in den Fällen der anderen Frauen war das so. Sie wurden erkannt, sie erkannten denjenigen aber umgekehrt nicht.
Tatsächlich ist es sehr oft der Fall, dass, wenn man erkannt wird, der andere sich im Vorfeld bereits häufiger mit einem beschäftigt hat. Umgekehrt eher nicht, sonst würde man denjenigen ja auch erkennen.
Daraus ergibt sich so ein Phänomen, das man wahrscheinlich von diversen Fandoms kennt. Es findet eine einseitige Beschäftigung mit der Person statt, die ein Gefühl von Vertrautheit vorgaukelt, das aber nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
Also mal angenommen, ein Mensch beobachtet jemand anderen hier im Joy, den er interessant findet. Geht immer wieder mal aufs Profil, liest Statusbeiträge, Forenbeiträge, Chats, etc. Derjenige beschäftigt sich mit einer Person, die ihn umgekehrt aber sehr wahrscheinlich gar nicht kennt. Je mehr sich dieser Mensch mit der Person beschäftigt, desto größer kann dieses Verbundenheitsgefühl sein, was natürlich Illusion ist. Erkennt er diese Person dann auf der Straße, hat er bereits das Gefühl, sie "irgendwie" zu kennen, während die Person umgekehrt wahrscheinlich noch nie was von diesem Menschen gehört und gesehen hat.
Was mir und anderen Frauen passiert ist, ist dann, dass man angesprochen wird und solche Leute binnen Sekundenbruchteilen ein Level der Vertrautheit herstellen wollen, das null angebracht ist. Für mich (und die anderen) sind das völlig Fremde, aber die wiederum haben nicht das Gefühl, dass wir Fremde sind, weil sich durch die Beschäftigung mit uns ein illusorisches Vertrautheitsgefühl eingeschlichen hat. Und es kann vorkommen, dass, wenn diese Vertrautheit, die man sich einbildet, mit der harten Realität in Berührung kommt, das zu einer kleinen Anspruchshaltung und dann aber zu arger Enttäuschung und Frust führen kann. Man hat doch so viel von dieser Person gelesen und fand sie so sympathisch, warum nur ist sie jetzt real so abweisend? Weil du ein FREMDER für sie bist. All dein Kopfkino über diese Person beruht nunmal nicht auf Gegenseitigkeit.
Soll heißen: Ein Fremder, der dich auf der Straße anspricht und für den du in dem Moment genauso fremd bist, hat meist durchaus eine andere Grundeinstellung als jemand, der dich aus dem Internet kennt (du ihn aber nicht) und jetzt denkt, sein eingebildetes Vertrautheitsgefühl müsse irgendwie auch für dich gelten.