„Wie soll ein Mensch erahnen, dass Du nicht angesprochen werden willst? Soll die Menschheit insgesamt auf soziale Kontakte verzichten, nur weil Du so fühlst? Du wirst wohl damit leben müssen, dass Dich gelegentlich jemand ungewollt anspricht... Eine Möglichkeit wäre, Du hängst Dir ein Schild um den
Hals mit der Aufschrift: "Möchte nicht angesprochen werden".
Ich ging immer davon aus, dass man eher auf umgekehrte Signale achtet. Und nicht davon ausgeht, dass jeder Mensch selbstverständlich (privat) angesprochen werden will, oder dafür offen ist, solange er nichts eindeutig Gegenteiliges kommuniziert.
Meines Erachtens zeigt sowas tatsächlich einen realen Grad an Empathie und Bedürftigkeit. Je weniger Empathie und je mehr Bedürfnis (und damit oft Impulsivität) vorherrschen, desto schlechter sind Menschen darin, eine Situation danach zu bewerten, ob man jemand völlig Fremdes auf privater Ebene ansprechen kann.
In der Regel geht man nicht davon aus, dass alles erlaubt oder gar erwünscht ist, solange jemand nicht das Gegenteil mitteilt. Es ist normalerweise eher umgekehrt, dass man auf positive Signale wartet, die einen möglichen Konsens bereitstellen, innerhalb dem man sich dann bewegen kann.
In einer Situation, in der sich Menschen ohnehin sozial versammeln, UM sozial zu interagieren - in einem Club, auf einem Konzert, auf einer Veranstaltung - kann man davon ausgehen, dass die Menschen generell offener dafür sind, Fremde kennenzulernen. Ich wurde aber ausnahmslos immer angesprochen, wenn ich gerade unterwegs war und Besorgungen erledigte und mich definitiv nicht draußen bewegte, um privat sozial zu interagieren.
Nein, es ist natürlich kein Beinbruch, wenn man angesprochen wird. Damit muss man ja rechnen, wenn man sich in der Welt bewegt. Das ist ja auch erstmal überhaupt nicht übergriffig.
Man kann aber umgekehrt doch nicht einfach davon ausgehen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit von jedem angesprochen werden will, oder immer dafür offen ist, nur weil er kein "Bitte Abstand halten!" Schild um den Hals trägt.