Ich habe dieses geldwerte gegeneinander Aufrechnen nie verstanden.
Mal ehrlich: Mr./Mrs. Protz entlarvt sich doch spätenstens beim zweiten Kaffeedate, weil es solchen Leuten extrem wichtig ist, dass "alles" seinen Preis hat. Und ob sie nun den Schnäppchenjäger geben, der/die deshalb generös sein kann, oder ob sie tunlichst erwähnen, sich alles selbst erarbeitet zu haben und deshalb... so rosarot kann keine Brille sein, dass das Gegenüber das nicht sofort merkt.
Aber da ist auch die andere Sorte Mensch. Die, die sagt: nicht mein Geld macht Spaß, sondern das, was ich damit mache. Die, deren Portokasse an einem Abend mehr hergibt als das Budget des anderen in einem Monat. Denen es einfach Freude macht, Erlebnisse zu teilen und die über Konzertkarten für nen Hunni so wenig nachdenken andere über nen Euro für den Kaffee auf die Hand. Die warmherzig genug sind, sich über einen selbstgebackenen Kuchen genau so zu freuen wie über eine Einladung ins Nobel...
Was also steckt hinter dem Gefühl, das nicht annehmen zu können oder sogar bewusst zu blocken? Doch wohl ein Gefühl des Nicht-Ebenbürtig-Seins, des Zu-Nichts-Verpflichtet-sein-wollen. Oder klar und deutlich gesagt: ein Minderwertigkeitsgefühl.
Und dazu mal ein paar Aussagen aus meiner ganz persönlichen Sicht:
1. Ich bin nicht meine Arbeit und erst recht nicht das, was gesellschaftlich als akzeptierter Lohn dafür betrachtet wird.
Daraus resultiert meine feste Überzeugung:
2. Es gibt keine unwichtige Tätigkeit. Egal ob ich nun Müll beseitige oder die naturwissenschaftliche Forschung beflügle: jede Tätigkeit hat ihre Notwendigkeit und Berechtigung. Mir persönlich ist da im übrigen der Müllwerker aus Leidenschaft symphatischer als der Gehaltsstreifenableser mit Leichenbittermiene. (Ganz abgesehen davon, dass es mächtig stinkt, wenn der Müllwerker streikt
)
Und ich käme
3. Niemals auf die Idee, ständig in Gedanken nachzurechnen, wie viel ich jetzt noch schuldig bin. Oder ob ich wieder "dran" bin - und das unabhängig vom Gehaltsgefälle.
Um es noch mal ganz deutlich zu sagen: ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich in einer Gesellschaft lebe, die es mir als Frau ermöglicht, auf eigenen Beinen zu stehen. Aber ich bin selbstbewusst genug, um es nicht permanent per "gleichberechtigtes Zahlen" beweisen zu müssen.
Lasse ich mich nach Grönland einladen? Von Mr./Mrs. Protz bestimmt nicht. Von einem Menschen, der mein Herz berührt hat und mit dem mich mehr verbindet als "mal gucken, ob aus dem ONS was wird" ja.
Würde ich den anderen nach Grönland einladen? Wenn ich das Bedürfnis hätte, Grönland mit dieser Person zu erleben. Klar... jeder Zeit.
Ich war auf beiden Seiten dessen, was ihr "Gefälle" nennt und ich finde nichts alberner als dieses "Du bist ein Mann, darum musst Du zahlen". Aber nur, um mich von derartigem Gehabe abzuheben, bin ich doch nicht gezwungen, mir das Gefühl des Verwöhnt-Werdens zu verbieten. Und genießen kann ich es gerade
weil ich es nicht erwarte, dass es passiert.
Liebe Grüße
Dat Sylvie