Ein Thema bei dem ich, wenn ich von Augenhöhe lese, die Augen verdrehe und mir oft die Nackenhaare zu Berge steigen.
Es gibt immer wieder Begriffe, die sehr sehr viele verwenden – ohne sie aber wirklich zu verstehen. Daher bin ich mir nicht sicher, ob hier alle das Gleiche meinen mit "Augenhöhe".
Hier eine kleine Anekdote warum ich glaube das viele das Wort „Augenhöhe“ gerne benutzen, ohne sie jedoch wirklich zu verstehen oder wirklich zu leben.
Vor gar nicht so langer Zeit führte ich ein Gespräch über irgendein juristisches Thema. Der Rechtsgrund wie auch der genaue Wortlaut ist hier nicht relevant, weil irrelevant.
Vorausgegangen waren einige zahlreiche Hinweise das ich in meinem Leben, ob nun im Beruf – oder im Privatleben, schon auf so einigen Kriegsschauplätzen der Gerichte stand und diese ausgefochten habe, daher gewiss von mir behaupten kann, nicht ganz unwissend zu sein, wenn es um juristische Auseinandersetzungen geht.
Meine Erklärung war einfach der Hinweis, dass es oft ratsam sei sich eine zweite oder gar dritte unabhängige Meinung einzuholen, um hieraus eventuell eine für sich annehmbare Entscheidung treffen zu können. Also völlig wertfrei teilte ich meine Erfahrungen mit.
Meine Hilfestellung wurde jedoch abrupt mit dem Tenor beendet, dass ich keine Ahnung hätte. Augenhöhe? Never ever! Auch wenn ich der Meinung war, dass mein Gegenüber im Unklaren war und einfach falsch informiert sei, habe ich sodann das Thema auch nicht weiter angesprochen. Soweit so gut dachte ich und habe es sodann auch im Außen so belassen.
Im inneren schlich sich jedoch ein ungutes Gefühl ein und ich stellte mir zwangsläufig die Frage nach dem „wieso“ und „weshalb“ der Mensch so reagiert hat?
Aus der vorausgegangenen Kommunikation und deren Inhalte hatte ich schließlich oft das Gefühl, dem Menschen sei „Augenhöhe“ wichtig und lebe es auch so. Weit gefehlt wie sich dann rausstellte.
Und je mehr ich mich mit der Frage auseinandersetzte, fiel mir auch bei weiteren Gesprächen mit diesem und anderen Menschen auf, dass hier ein wiederkehrendes Muster aufliegt, welches jenseits von Augenhöhe liegt. Nämlich der intoleranten Toleranz.
Ich habe mich also in meiner Wahrnehmung geirrt und hieraus die Erkenntnis gezogen, dass für mich der Hinweis auf ein vehementes pochen auf "Augenhöhe" ein Indikator dafür ist, dass der Mensch entweder noch nicht so weit ist – b.z.w. gar nicht gewillt ist- eine auf Augenhöhe geführte Beziehung einzugehen. Dies ist Geschlechter unabhängig, denn Beziehungen führe ich nicht nur mit einem Menschen den ich Liebe, sondern mit anderen auch.
Auf Augenhöhe – was ist das denn nun aber eigentlich?
Wie @*******s80 schon schrieb „„Auf Augenhöhe“, das heißt, das Gespräch ernsthaft zu betreiben, ernst zu nehmen, den Partner oder die Partnerin zu nehmen, wie er oder sie ist: gewichtig und gleichbedeutend!“
„Den Partner oder die Partnerin zu nehmen, wie er oder sie ist: gewichtig und gleichbedeutend“!!??
Aber schaffen wir das denn immer? Ich glaube
, das gelingt in der Tat nur den ganz ganz wenigen.
Augenhöhe wird immer wieder verlangt, um eine ordentliche Konversation in Gang zu bringen. Es ist jedoch eben überhaupt nicht leicht, Konversation mit jenen zu treiben, denen man nicht abnimmt, ebenbürtig zu sein.
Ebenbürtig heißt für mich nämlich gleichbedeutend, heißt aber auch, dem anderen nicht unterlegen zu sein und schon gar nicht überlegen.
Sich nicht schwächer zu fühlen und auch nicht stärker. Der, mit dem wir in solchen Fällen sprechen, ist in jeder Hinsicht ebenbürtig. Das ist die allgemeine Vorstellung, wenn von Augenhöhe in Beziehungen die Rede ist.
Heute ist das Wort aber oft nichts anderes als der Versuch eines Beweises, dass man mit der Zeit geht, aber null Ahnung hat, was es eigentlich im Kontext zu Beziehungen bedeutet.
Früher hat man nicht gewusst, was darunter zu verstehen sei. Heute kann man „auf Augenhöhe“ immer wieder Konversation betreiben, ohne genau zu wissen, was darunter zu verstehen ist. „Die Kommunikation auf Augenhöhe ist die Abbildung von Gleichstellung“, lese ich. Das kann für die Intelligenz, für Bildung, wie auch in vielen anderen Bereichen gelten.
Andererseits könnte man auch an die intellektuelle Augenhöhe denken. So muss ich mich also mit meinem Gegenüber nicht nur umfassend unterhalten, sondern auch diskutieren und philosophieren können. Oder gibt es eventuell ein Intelligenz- oder Bildungsgefälle, ein Kulturelles gar Glaubensgefälle.
Sollte man daher nach meine dafür, schon bei diesen Persönlichkeitsmerkmalen nicht wertfrei interagieren können, sind häufig Konflikte oder Beziehungsdifferenzen vorprogrammiert.
Wenn die „Augenhöhe“ nicht stimmt, gleicht es aus meiner Sicht die Konsequenz einer Respektlosigkeit. Damit entstehen aber Machtspielchen und verdeckte Kommunikation, diese schadet der Beziehung und der Gesundheit.
Die Frage, ob der Begriff „auf Augenhöhe“, der jetzt so häufig verwendet wird, daher all solchen Definitionen standhält, ist kaum jemandem klar, der ihn gebraucht.
Die meisten, die ihn verwenden, haben ihn gehört und nehmen an, dass er richtig ist. Mehr aber auch nicht.
Dass es auf den Zusammenhang ankommt, ist egal. Hauptsache, es klingt gut. Aber die meisten verstehen ihn auch nicht.
Für mich ist daher Augenhöhe unabdingbar mit der Thematik Toleranz verknüpft. Wohl wissentlich das auch bei der Thematik Toleranz, viele absolut tolerant intolerant in ihrem Charakter sind, aber von sich behaupten, tolerant zu sein. Aus meiner Sicht kann daher ohne Toleranz keine Augenhöhe und ohne Augenhöhe keine Toleranz stattfinden.
Daher hört sich „Augenhöhe“- schön und gut an, aber…… die Realität sieht häufig anders aus.
Denn es gibt ganz unterschiedliche Gründe, wieso Menschen nicht auf Augenhöhe miteinander interagieren. Klar, wenn wir es gut miteinander haben, geht das ohne Probleme. Aber wehe, es tauchen Probleme auf. So entstehen schnell Spannungen und Konflikte vor denen die Meisten einfach nur weg rennen. Tolle Art von Augenhöhe und Toleranz. In den meisten Fällen ist das Thema Augenhöhe dann eben schnell vom Tisch. Und das beginnt eben nicht erst im großem, sondern schon im kleinem.
Irgendjemand spricht z.B. im falschen Moment etwas an und zack – ist man auf 180 und bricht im dümmsten Fall einen handfesten Streit vom Zaun – konstruktiv geht halt anders.
Vermutlich hat jeder von uns seine eigenen, persönlichen Trigger-Punkte. Und das ist normal. Denn was in solchen Momenten geschieht, kann man vereinfacht als „Auto-Pilot-Modus“ bezeichnen. Der Auto-Pilot kann in solchen Momenten auch als Affekt-Logik bezeichnet werden.
Die Gründe, die Augenhöhe verhindern, sind daher auch sehr unterschiedlich.
Das kann z.B. einfach aus der Unbewusstheit darüber geschehen, dass mein Gegenüber anders ist als ich, was ja im Kern schon paradox ist, denn wir sind alle anders.
Aber oft deshalb, weil es vielen auch egal ist – ihre Welt ist ja die einzig wahre und richtige.
Paul Watzlawick brachte es eigentlich auf den Punkt: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ Also eigentlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Anders ausgedrückt: Wenn ich es nicht besser weiß, nutze ich einfach das, was ich kenne in allen Situationen. Persönlichkeitsentwicklung sieht jedoch anders aus.
Aber, den universellen Weg Augenhöhe zu erreichen, gibt es meiner Meinung nach nicht. Ich bin davon inzwischen überzeugt, dass es einige Grundvoraussetzungen dafür gibt, die aber nicht jeder Mensch inne hat.
Seine Spannungen mit sich selbst klären zu können, ist dabei entscheidend. Klarheit und Bewusstheit über mich selbst ist der erste Schritt. In vielen Situationen ermöglicht dies auch auf Augenhöhe mit einer anderen Person zu kommen.
Bewusst werden – Selbstkenntnis (ICH):
Ist es mir gerade möglich, mit einem anderen Menschen auf Augenhöhe zu gehen, was behindert mich dabei? Was macht mein Autopilot? Welche Programme laufen in mir?
Kann ich wirklich präsent sein?
Meiner Meinung nach birgt dieser Schritt der Erfahrung die größten Herausforderungen und gleichzeitig die meisten Möglichkeiten. Auf Augenhöhe mit einer anderen Person sein, geht nämlich nicht als Strategie. Es bedeutet eine echte und nachhaltige Veränderung der eigenen Persönlichkeit.
Und genau hier liegt meiner Meinung nach der Krux. Viele reden immer zu von Persönlichkeitsveränderungen, schaffen es jedoch nicht sich selbst kritisch zu hinterfragen, was nötig ist, Veränderungen herbeizuführen. Sie verfallen immerzu den gleichen Mustern.
Wer sich dies bewusst ist, kann darüber nachdenken, den Blick nach außen zu legen.
Gegenüber einschätzen – Menschenkenntnis (DU): Was könnte den anderen Menschen beschäftigen? Was könnte ihm wichtig sein?
Bewusste Interaktion – Sozialkompetenz (WIR): Wie kann ich das, was mir wichtig ist und das, was meinem Gegenüber wichtig sein könnte, berücksichtigen?
Ganz nebenbei – was nutzt es mir?
Das ist – für mich – die zentralste aller Fragen, da es den Schlüssel zu meiner eigenen Motivation darstellt. Denn ohne intrinsische Motivation ist echte Veränderung nicht möglich.
Und so mag es nicht verwundern, dass die Motive auf persönlichen Level sehr vielfältig sein können. Aus persönlicher Sicht: Persönlicher Frieden, mehr (eigene) Freiheit, stabilere Beziehungen, einfachere Zielerreichung uvm..
Also an sich Arbeiten auf Augenhöhe und alles ist gut?
Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn dort wo Menschen zusammentreffen und sich zu einem WIR formieren wollen, gibt es neben der menschlichen Seite, immer Strukturen, Prozesse, Abläufe, Organisation etc. die miteinander interagieren müssen.
Wächst man z.B. überwiegend auf der Seite der Zusammenarbeit ohne die Rahmenbedingungen auf Seiten der Beziehungen zu verändern, so kann das schnell zu Frust und mehr führen und eine Negativ-Spirale auslösen.
Wächst man dahingehend überwiegend durch agile Strukturen, ohne die Seite des Gegenübers zu berücksichtigen, kann dies z.B. zu Überforderung in der Beziehung führen.
Ich bin daher überzeugt, dass es Wachstum auf beiden Seiten benötigt – Mensch UND Augenhöhe, und bin mir sicher, dass es nicht DIE richtige Vorstellung davon gibt, was Augenhöhe ist.
Aber ohne Toleranz wird es keine Augenhöhe geben.