„Mutig genug für die Liebe?
Heute ist mir während der Motorradtour eine Art Wortspiel eingefallen:
Es ist viel leichter
Nicht zu lieben.
Es ist viel schwerer
Nicht zu lieben.
Auf der einen Seite die Leichtigkeit und Freiheit des Singledaseins. Man ist niemandem Rechenschaft schuldig, kann spontan sein. Sex gibt es möglicherweise auch - gegenseitige Befriedigung ohne Abstumpfungserscheinungen. Keine Enttäuschung und kein Herzeleid. Genug Zeit für Hobbys und Freunde. Alleinherrschaft über die Fernbedienung.
Auf der anderen Seite ist es so schön, Schmetterlinge im Bauch zu spüren, sich auf die eine Person zu freuen, alles an ihr zu mögen, sie zu begehren. Mit ihr schmusen, rumalbern, Geheimnisse teilen - und am Abend nicht allein auf der Couch zu liegen. Wärme in sich zu spüren, wenn man an sie denkt. Sehnsucht, wenn sie nicht da ist.
Jemanden zu lieben - woher kommt der Mut, es immer wieder aufs Neue zu versuchen?
Oder kann man sich willentlich entscheiden, nicht mehr zu lieben?
Ich bitte um einen respektvollen Umgang und keine Allgemeinplätze. Eure Erfahrungen und Denkweisen interessieren mich!
Du stellst als Thema „Liebe“ in den Raum - das, was du im zweiten Absatz beschreibst, wäre aber meiner persönlichen Definition entsprechend keine Liebe sondern lediglich Verliebtsein.
„Schmetterlinge im Bauch“ haben Menschen in den ersten Momenten eines Kontaktes - dieses Gefühl kann einige Monate anhalten, vielleicht bis zu einem Jahr.
In dieser Zeit „liebt“ man nicht das menschliche Gegenüber sondern den Spiegel. Die Erkenntnis des eigenen Selbst im anderen. Solange die rosarote Brille der Verliebtseins auf der Nase sitzt, der Rausch eines tollen Cocktails aus Hormonen anhält, sieht man nur
und die Lichtgestalt in der anderen Person und projiziert alle guten Eigenschaften, die in einem selber nach Verwirklichung schreien und die man schon immer in Anderen gesucht hat, auf diesen möglichen Partner.
Zu diesem „Verlieben“ und „Verliebtsein“ gehört kein Mut.
Das erledigen im fortpflanzungsfähigen Alter die Pheromone, die nach Vermehrung gieren, ganz von alleine.
Später tritt an deren Stelle die Sehnsucht, bei manchen auch die nackte Angst vor dem allein mit sich als Mensch leben und zurechtkommen müssen und treibt uns in die Arme eines mehr oder weniger zufällig aus dem Netz entsprungenen oder auf einer Party zugelaufenen „Partners“.
Insofern ist meine These:
„Verlieben“ ist total einfach!
Verliebtsein erzeugt im Hirn den gleichen Rauschzustand wie Alkohol oder illegale Drogen, wie der Flow im Sport, ein gelungenes Projekt
oder guter befriedigender Sex.
Daher kann der Prozess des „Verliebtsein“ auch ebenso suchterzeugend sein wie die oben genannten anderen „Rauschmittel“.
Besonders im Internet begegnen einem/einer viele Personen, die in diesen Zustand „verliebt“ sind und ihn derart wie eine Droge brauchen, dass sie sich beständig neu „verlieben“, sich im anderen spiegeln und bei nachlassender Wirkung der Droge
voller
die Flucht ergreifen.
„Verlieben“ könnte ich mich theoretisch jeden Tag.
Es gibt sehr viele Menschen, die ich auf den ersten Blick interessant finde, mit denen ich gerne kommuniziere, von denen ich lerne, durch die ich etwas über mich selber erfahre.
Diese Begegnungen schätze ich, weil sie mich durch Selbsterfahrung und -Erkenntnis im Leben weiterbringen.
Aber diese Menschen kann ich auch im gegenseitigen Respekt wieder loslassen, wenn der Prozess abgeschlossen ist.
Beziehung im klassischen Sinne erlebte ich und empfinde ich in vielen Partnerschaften nur als Anspruch auf gegenseitige Besitzansprüche.
Das möchte ich in meinem Leben in der Form von Monogamie, Monoamorie und Treueversprechen nicht mehr.
Ich möchte mich einem Menschen frei und willig zugehörig fühlen und keine Verpflichtung eingehen.
In meiner Wahrnehmung gehen einige Menschen unreife Liebesvereinigungen ein, toxische oder narzisstische Verbindungen, in denen man nur zusammen ist, weil man den anderen braucht.
Ein „ich liebe dich, weil ich dich brauche“ ist aber für mich keine Liebe.
Wenn ich liebe, strebe ich das von Erich Fromm beschriebene Ideal an.
Grundlage, so lieben zu können, ist aber, sich selbst lieben zu können.
Und dazu gehört viel mehr Mut als der, der erforderlich ist, einen anderen Menschen zu lieben.
Und wenn man das als Kind nicht gelernt hatte, weil die Umstände andere waren, kann es ein lebenslanger Prozess sein.
Ich finde diesen aber durchaus spannend und bin gespannt, wer oder was mir auf meinem Weg noch begegnet.
Theoretisch könnte das auch auf dieser Plattform passieren; überwiegend begegnen mir aber Personen, die derart panische Angst sogar vor´m Verlieben haben, dass jeder Kontakt so oberflächlich und unverbindlich wie nur irgend möglich sein soll.
Aber auch dafür hat das Universum, das mir diese Menschen über den Weg laufen lässt, sicher einen Grund.
Nightynight
Bjutifool