Leben mit (wahrscheinlich) asexueller Partnerin
Ich bin seit über 20 Jahren mit meiner Frau zusammen. Wir haben auch ein gemeinsames, erwachsenes und unglaublich tolles Kind. Die Beziehung ist in fast jeder Hinsicht ziemlich perfekt. Das Zusammenleben, gemeinsame Interessen, Organisation des Alltags, Familienleben, gegenseitige Unterstützung - alles prima. Ich bin sicher, dass wir glücklich gemeinsam alt werden können (ein bisschen sind wir es ja schon) und es ist für mich keine Option, meine Frau zu verlassen. Das mal als vorangestellte Information. Wir hatten in dieser gesamten Zeit vielleicht 20, maximal 30 mal Sex, das meiste davon im ersten Jahr. Seit vielen Jahren gar nicht mehr.
Ich habe lange gehofft, dass sich da noch etwas entwickelt, wir haben auch eine Paartherapie begonnen (aber abgebrochen), wir haben einige Male darüber geredet, was aber immer dazu führte, dass sie sich verzweifelt dagegen wehrte, sexuell nicht (an mir?) interessiert zu sein. Verändert hat sich danach nichts. Sie hatte vor mir nur 3 Partner (den ersten mit ca. 15) und zumindest vom letzten weiß ich, dass die Beziehung wohl an der Sexualität gescheitert ist. Ich habe den Eindruck, dass sie sich selber nicht eingestehen kann, sexuell desinteressiert (asexuell?) zu sein, möchte Sex aber auch nicht fordern oder sie bedrängen. Sex aus Gefälligkeit oder Angst, den anderen zu verlieren, möchte ich nicht erleben. Inzwischen bin ich auch zu der Einsicht gekommen, dass ein weiteres Gespräch zu nichts weiter führen würde als zu neuer Verzweiflung und evtl. zu einer Trennung, die zwei todunglückliche Menschen hinterlässt, die eigentlich in fast allen Aspekten des Lebens zusammengehören. Mein eigenes Bedürfnis nach Nähe und Austausch von Zärtlichkeiten und sexueller Befriedigung hat mir in der gesamten Zeit sehr zu schaffen gemacht und mich in Gewissennöte gebracht. Ich bin mir aber inzwischen klar darüber, dass ich ein Recht auf ein Sexualleben habe, es auch nötig ist, um weiterhin ein einigermaßen zufriedener Mensch und damit guter Partner für meine Frau zu sein. Hier lese ich oft, dass Menschen "in einer Beziehung sich gar nicht erst zu melden brauchen", dass das "unvorstellbar" sei, einen Partner so zu hintergehen. Und leider habe ich auch tatsächlich (vielleicht auch wegen solcher Statements?) kein wirklich gutes Gewissen dabei, obwohl ich fast sicher bin, dass meine Frau "weiß", dass ich nicht komplett enthaltsam leben kann und es ihr nur wichtig ist, dass ich es diskret mache und sie nicht damit konfrontiere. Mir bleibt also nur, mir das, was ich vermisse woanders zu holen. Prostitution (Sex als Geschäft) fällt für mich aus und Selbstbefriedigung befriedigt nicht das, was ich vermisse. Ich würde wirklich gerne von euch ein paar Meinungen dazu haben, ob ich auf Sex mitverzichten sollte, ob ich eurer Meinung nach einen Denkfehler mache oder wie ihr mit einer solchen Situation umgehen würdet. Sorry für den langen Text!