Männer haben es auch nicht leicht …
Das Problem kommt mir irgendwie bekannt vor. Wenn auch, aus einer anderen Perspektive.
Ich bin Teil einer Generation die gelernt hat, dass typisch männliches Dominanzgehabe "toxisch" sei. Das bis dahin vorherrschende und medial verbreitete Bild des Mannes als "Macher, Beschützer" und "Aufreißer", welches in Filmen, Büchern und Serien Verbreitung fand, wurde komplett infrage gestellt.
Diesem Rollenbild wurde im Zuge der Frauenbewegung ein neues, vermeintlich besseres Bild als Identifikation für den Mann vorgehalten. Gewünscht war der Mann, der auch mal Gefühle zeigen konnte, der sensibel auf die Bedürfnisse der Partnerin reagiert und bereit ist, überkommene Rollenbilder abzulegen und emphatisch zu sein.
Frauen erobern die Universitäten, die Führungspositionen der Konzerne und treten als Machtpolitikerinnen in Erscheinung. Das neue Selbstbewusstsein der Frauen stellte ihre bisherige Position als Hausfrau, Ehefrau und Mutter infrage. Um diesen neuen Anspruch gerecht zu werden, müssen Männer von ihren Privilegien abrücken und Raum schaffen für Frauen, die ihren Platz in allen Schichten der Gesellschaft fordern.
In der Literatur ist ein ganz neues Genre entstanden, welches die Frau und ihre Bedürfnisse und Sicht der Dinge in den Vordergrund rückt.
Im Zuge der Emanzipation entstand eine Machtverschiebung vom Mann hin zur selbstbewussten Frau, die nicht mehr nur Bittstellerin war und Anhängsel ihres Mannes, sondern fordern durfte und ihr Recht auf Gleichberechtigung wahrnahm.
Zugleich existieren Strukturen, die die Erziehung der Jungs hauptsächlich den Frauen überlässt. Ich hatte kaum Lehrer und fast nur Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen. Alleinerziehende Mütter waren ein Phänomen der Zeit und Zeichen für Veränderung der bisherigen Verhältnisse.
In dieser Zeit von Frauen großgezogen, beschult und betreut zu werden und gleichzeitig die Abwesenheit der Männer als Väter, Lehrer und als Rollenvorbild zu erleben hat zumindest bei mir eine Prägung hervorgerufen, die bis zum heutigen Tage ihre Wirkung zeigt.
Als ausgewachsener Mann reagiere ich heute noch oftmals verwirrt und ungläubig – ja gradezu ängstlich – wenn die Frau nach einem starken, dominanten Mann verlangt, der sie sich "nimmt" und fordert und etwas von ihr "will". Das passt alles so gar nicht zu dem "neuen Mann", der in Filmen beschrieben und in Liedern besungen wird.
Ironischerweise ist die Tatsache, dass Frauen in Internetforen nach dominanten Männern Ausschau halten, ebenfalls ein Zeichen des neuen Selbstbewusstseins der Frau und an sich bereits ein Akt der Selbstbehauptung und Emanzipation. Da wir Männer diese Entwicklung aber nur als Zaungäste miterlebt haben und die Chance verpasst haben, im Zuge des Aufbruchs der Frauen auch mal an sich selbst zu arbeiten, Wünsche und Vorstellungen zu formulieren und positive Utopien für ein eigenes Männerbild in diesen neuen Zeiten zu entwickeln, stehen wir nun etwas ratlos unseren eigenen Wünschen und denen der Frauen gegenüber.
Ich fühle mich jedenfalls oftmals überfordert, einerseits der liebende, fürsorgliche, verantwortungsvolle und emphatische Mann, Liebhaber, Partner und Freund zu sein – andererseits aber auch den geilen Ficker, heißblütigen Verführer und selbstbewussten Bestimmter zu geben.
Im Internet habe ich vor ein paar Jahren eine devote Frau aus dem BDSM-Umfeld kennengelernt. Wir hatten echt heißen Cyber-Sex und sie hat mir von Dingen und Praktiken erzählt, die ich mir bis dahin nicht zu erträumen wagte. Endlich mal "so sein" zu dürfen, endlich mal "die Sau" rauslassen zu dürfen und die Aussicht das tun zu können, was bisher verpönt war, hat in mir Gefühle hervorgerufen, die ich mir bisher versagt hatte.
Als wir uns dann im RealLife getroffen haben, traf ich auf eine alleinerziehende zweifache Mutter und Geschäftsfrau die voll im Beruf stehend "ihren Mann" stand. Wir haben uns sehr gut unterhalten und waren uns auch gleich sympathisch. Jedoch war es mit meinen Dominanz-Fantasien sofort vorbei, als ich feststellte, dass ich hier kein schüchternes Häschen vor mir hatte, sondern eine starke, selbstbewusste Frau, die genau wusste, was sie will. Wie weggeblasen waren die wilden Fantasien von einem Sex-Date, bei dem ich endlich mal meine versauten Vorstellungen ausleben durfte. Stattdessen hätte ich ihr lieber die Zehen gelutscht und mich von ihr an den Stuhl fesseln lassen.
Zum Sex kam es dann nicht. Wir haben uns nochmals getroffen und hatten noch eine Weile Kontakt, aber ich sah mich außerstande dieser starken Frau gegenüber dominantes Verhalten an den Tag zu legen. Zu eingeschüchtert war ich und zu sehr beeindruckt, dass so eine Frau die Stärke besitzt ihre Wünsche und Fantasien zu äußern und umzusetzen.
Es ist für mich als Mann gar nicht so einfach in diesem Spannungsfeld zu leben, einerseits Frauen zu respektieren und ihnen Raum zur Selbstverwirklichung zu lassen und andererseits der Kerl zu sein, der dann auch mal verlangt und nimmt und die Frau aufs Bett wirft und ihr den Schlüppi vom Leib reißt.