Meine persönliche Abhandlung zu diesem Thema
Préparez vous
Beginnen wir philosophisch: was ist eigentlich BDSM und was ist Vanilla?
Damit diese beiden Begriffe irgendeine Bedeutung erlangen, müssen sie sich voneinander abgrenzen. Meist verbindet man mit BDSM so etwas wie Lack, Leder, Machtgefälle, Schmerzen.
Aber wo endet Vanilla und wo beginnt BDSM?
Wenn Du Deinen Partner mit einem Schal an den Bettpfosten fesselst/Dich fesseln lässt, ist das schon BDSM? Und wenn Du ihm die Augen verbindest, was dann? Oder, wenn er beim Sex dirty talk einsetzt? Vielleicht hat der/die eine oder Andere denegte Leser/die geneigte Leserin eine eindeutige Antwort darauf, ich muss gestehen ich kenne sie nicht.
Diejenigen Definitionen, die ich bisher gelesen habe, ziehen entweder willkürliche Trennlinien, oder haben Null Trennkraft. Und jede Definition, die sich an einem bestimmten Maß an Machtgefälle und/oder Schmerz orientiert, scheitert aus vielen Gründen, aber auch deswegen da der Mensch, welcher es liebt sich als Pferd zu verkleiden und so durch die Fußgängerzone zu laufen, sich ebenfalls als BDSMlerin sieht.
An dieser Stelle kommt dann ab und zu das "ich spreche niemandem ab, sich als BDSMler zu sehen"-Argument. Ja gut, das kann man schon machen, aber dann wozu eine Definition in the first place?
Wie, es gibt keine Definition von BDSM? Ja, absolut. Es kommt, erkenntnistheorethisch gesehen, sogar noch schlimmer...
Ganz ähnlich, aber leicht abgewandelt gefragt: worin unterscheidet sich BDSM-Sex von Vanilla-Sex?
BDSM-Sex sei irgendwie "härter" so die Vorstellung. Najaaaa, ehrlichgesagt kann es auch ganz schön zärtlich zugehen, nachdem ich meine Partnerin ans Bett gekettet habe.
Und was ist mit Person X, die im Rahmen von Vanilla-Sex seine Freundin grundsätzlich von hinten und hart nimmt? Ist er unbeabsichtigter BDSMler?
Hier wird ab und zu eingeworfen, dass BDSM auch ohne Sex stattfinden kann, z.B. wenn eine Herrin ihrem Sub routinemäßig Schläge gibt und dann ist jut.
Und hier frage ich: Was ist Sex? Wenn unter Sex ausschließlich Koitus verstanden wird, dann gibt es auch Vanilla "ohne" Sex, oder wie würde man das verliebte Erkunden des anderen Körpers denn anders einordnen wollen?
Na gut, definieren wir Sex weiter gefasst, auch das ist machbar, immerhin gibt eine ziemlich hohe Prozentzahl auch der hie angemeldeten User an, unter dem Begriff Sex alles zusammenfassen und verstehen zu wollen, was in irgendeiner Form mit Penissen und Vulven zusammenhängt.
Und was ist nun, wenn dem geneigten Leser/der geneigten Leserin nachts der Gedanke an den heiẞen Nachbarn/ die heiße Nachbarin kommt und Du Dir vorstellst, dass er / sie Dich endlich mal zum Cafè einlädt und der Gedanke macht Dich an?
Na gut, wirst Du sagen, das ist jetzt nun aber ganz sicher kein Sex, das ist ja nur ein anregender Gedanke. Und was ist, wenn der Gedanke die Vorstellung beinhaltet, dass Du absichtlich mit offenem Fenster duscht und er/sie Dich zufällig dabei sieht und der Gedanke daran Dich erregt?
Und was ist, wenn der Gedanke die Vorstellung beinhaltet, dass er/sie Dich festhält und Du diesen Gedanken angenehm findest?
Wie man es auch dreht und wendet, man endet mit jedem Versuch einer klaren Definition im Salat und man muss gezwungener Maßen feststellen: es gibt keine.
Was ist nun die Lösung des Salats?
Was Fakt ist: Menschen stehen der Wahrnehmung dessen, was ihre Sexualität als angenehm empfindet, unterschiedlich offen gegenüber. Der kleinste gemeinsame Nenner von BDSMlern ist, dass sie auf dieser Skala häufig relativ weit auf dem 'offenen' Ende liegen und bereit sind wahrzunehmen, was ihr Körper zu den unterschiedlichsten Reizen sagt.
Der zweite Fakt ist: Menschen kommunizieren sehr unterschiedlich stark mit Ihrem Sexualpartner darüber. Was dabei eine Rolle spielt, sind nicht ausgesprochene Tabus.
Die Angst vor der Reaktion "das ist doch nicht normal". Wenn man sich als Paar das Label "BDSMler" gibt, dann fällt es plötzlich leichter zu kommunizieren, weil die unausgesprochenen Tabus wegfallen.
Und dabei hilft die Unspezifizität des Begriffs BDSM ungemein, ja, sie ist sogar eine Voraussetzung dafür, dass dieses Wort diese tabubrechende Funktion in diesem Maße bewirken kann.
Fazit: Es gibt kein BDSM. Es gibt nur Menschen, die ihre eigene Sexualität unterschiedlich offen wahrnehmen und unterschiedlich stark bereit sind darüber zu kommunizieren. Der Begriff BDSM hilft dabei als Tabubrecher.
Aber wie immer, nur meine Meinung!