Ich finde es schwierig zu argumentieren, wenn Argumente nur noch gewertet, aber nicht mehr gewichtet werden.
Ja, man kann sich mit sexuell übertragbare Erkrankungen auch beim Oralverkehr anstecken.
Diese Aussage ist ein Fakt. Wenn man diesen Fakt aber ohne weitere Ausführung für sich stehen lässt, dann vermuten viele, die diese Aussage lesen, implizit auch: Die Wahrscheinlichkeit für eine Übertragung ist ebenso hoch, wie beim eigentlichen vaginalen Geschlechtsverkehr. Diese Annahme ist falsch.
Die Ursprünge der Diskussion um orale Übertragbarkeit von Geschlechtskrankheiten stammen von den Websites der Hersteller, die STI-Test-Kits und Laboruntersuchungen anbieten. Diese haben natürlich ein großes Interesse daran Ängste zu schüren, erhöht das doch ganz direkt den Umsatz. Hier finden sich gehäuft Aussagen, die grundsätzlich alle richtig sind, aber absichtlich nicht gewichtet werden.
Von da war der Weg in die allgemeinen Zeitungen und in das "Alltagswissen" geebnet.
Fragt man aber mal Menschen, die direkt mit diesem Fällen zu tun haben, aber selbst daran kein Geld verdienen, sind die Aussagen signifikant anders.
Mal ein konkretes Beispiel: Ein STI Testlabor schreibt auf seiner Website (Webadresse kann erfragt werden):
"Über Oralverkehr können fast alle STIs übertragen werden, Gonorrhoe, Hepatitis, Herpes, und sogar HIV/AIDS."Man liest dies Aussage aber grundsätzlich oft in der Form im Netz.
Auf der Seite der deutschen AIDS Hilfe liest es sich dann so:
"Beim Oralverkehr (Lutschen oder Lecken des Penis, der Vulva oder des Afters) gibt es praktisch kein HIV-Risiko, denn die Mundschleimhaut ist sehr stabil. Selbst wenn Sperma oder Menstruationsblut in den Mund gelangt, ist das Übertragungsrisiko sehr gering.
Weltweit sind nur 6 Fälle beschrieben worden, in denen es durch Oralsex zu einer HIV-Infektion kam. Die Aufnahme des Lusttropfens stellt beim Oralverkehr kein Risiko dar. Auch sind keine Fälle bekannt, bei denen es durch die Aufnahme von Vaginalflüssigkeit beim Oralsex zu einer HIV-Übertragung kam."
Wenn man davon ausgeht, dass es seit Aufkommen von AIDS in den 80er Jahren vermutlich zwischen 20 und 100 Milliarden Kontakte mit Oralverkehr gegeben haben dürfte, liegt das Ansteckungsrisiko im Durchschnitt hier bei 8,3 Milliarden zu 1. Das ist natürlich der Fall mit dem krassesten Verhältnis.
Aber auch bei anderen Krankheiten ist es ähnlich. Die höchste Wahrscheinlichkeit mit einem Ansteckungsrisiko von 15000:1 hat der Herpesvirus. Er ist weit verbreitet und fühlt sich in allen Schleimhäuten wohl.
Gonorrhoe mit einer Ansteckungswahrscheinlichkeit von 24000:1 verhält sich bei oraler Infektion anders, als bei vaginaler Infektion. Hier kommt es zu einer Reizung oder Entzündung des Mund- und Rachenraumes, die bei Behandlung mit Antibiotika schnell und folgenlos abklingt.
Zu Heptatitis schreibt ProFamilia:
"Eine sexuelle Übertragung des Hepatitis-C-Virus ist möglich, wird aber nur selten und vor allem bei sexuellen Praktiken mit Verletzungsrisiko und Blutkontakt beobachtet." Statista gibt hier eine Wahrscheinlichkeit von unter 45000:1 an.
Alle statistischen Zahlen sind übrigens mit Vorsicht zu genießen. Da häufig Oralverkehr und normaler Sex kombiniert auftreten, ist es schwer feststellen, bei welcher Praktik die Übertragung stattfand. Häufig leugnen besonders junge Menschen und stark gläubige Menschen standhaft die vaginale Penetration, sodass eine Übertragung als oral in die Statistik einfließt, selbst wenn
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Informiert Euch. Der beste Rat, den man geben kann: Gefolgt vom zweitbesten: informiert Euch bei einer Stelle, die kein finanzielles Interesse daran hat, Euch Angst zu machen oder Euch etwas zu verkaufen. Dann werdet ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit neutral informiert.
Wir selbst kamen uns bei den, in der letzten Zeit viel gescholtenen, Gesundheitsämtern am besten beraten vor. Diese haben uns viele Ängste genommen und viele Vorstellungen erst einmal in einen fachlichen Kontext gesetzt.
Wir wollen alle gesund bleiben, aber wir wünschen uns auch (gerade in der heutigen Zeit) dass die Verhältnismäßigkeiten gewahrt bleiben