„Es ist nicht so, als könnte ich die Angst nicht nachvollziehen. Ich halte mich ja weder für doof, noch für gefühlskalt, ich verstehe es schon. Unter ganz bestimmten Umständen, wie persönliche oder enge Betroffenheit, kann ich die gesteigerte Angst komplett verstehen, halte sie da auch für absolut normal und für nichts, das ich je verurteilen würde.
Womit ich Probleme habe ist das Framing. Die Unverhältnismäßigkeit, wenn es um das subjektive Empfinden und die objektiven Fakten geht, die darin münden sollen, dass sich die Fakten den Empfindungen anpassen sollen, weil man sich dann besser fühlt. Vor allem, wenn das darin gipfeln soll, dass die 99,4% der friedlichen Männer sich Gedanken über ein Verhalten machen sollen, das sie ja gar nicht haben. Dass der Eindruck erweckt wird, dass die Frau sich vor dem Manne hüten muss.
Ich fühle mich nachts allein definitiv auch unwohler, als tagsüber. Weil ich halt weniger sehe, weniger Überblick habe. Ich hatte nachts auch schon Begegnungen, bei denen ich vermehrt aufgepasst habe und ein paar Mal bin ich auch abgebogen und ausgewichen. Dabei ging es fast immer um laute, angetrunkene Gruppen, die halte ich persönlich für eine größere Gefahr als Einzelpersonen.
Das Framing existiert nunmal und man wird es nur loswerden, indem man die Ursache dafür endlich angeht und nicht indem man es immer wieder bewertet und kritisiert, behaupte ich mal. Denn es basiert auf den im Umfeld erlebten und selbst gemachten Erfahrungen in solchen Situationen und einer daraus resultierenden Einschätzung. Dieses Gefühl der Berohung, wie jedes Gefühl, kann man nicht wirklich bewerten, ohne dieses zu invalidieren. Gefühle sind weder falsch, noch richtig, schon gar nicht unverhältnismäßig. Viel eher sollten sie doch als ein Anzeichen für Handlungsbedarf betrachtet werden. Als schrillender Signalton. Hier signalisiert es die von übergriffigen Männern ausgehende Bedrohung der eigenen Sicherheit. Ich glaube, mögliche Ursachen zu identifiziert und diese zu beheben, wird langfristig mehr helfen, als der alleinige Diskurs darüber, ob tatsächlich Handlungsedarf existiert und wie die Reaktion aller Parteien ist.
Ja, die Wahrscheinlichkeit ist vielleicht nicht so hoch, dass einem etwas sehr schlimmes Nachts passiert, besonders wenn man brav alles macht, um nen möglichen Übergriff präventiv zu verhindern. Die Sorge davor, ist aber nicht an die Häufigkeit, sondern an die Motivation/Grundlage für die mögliche Bedrohung, aus meiner Sicht, gebunden. Und diese ist nunmal, da Menschen die Ursache sind, allgegenwärtig.
Klar, kann nicht jeder Mann potenziell zu jederzeit möglicher Täter sein, das unterstelle ich auch nicht. Grundsätzlich ist jeder Mensch gut und möchte niemals Grund für den Schaden anderer sein, so meine Überzeugung. Aber fast jeder Mensch unterstützt auf total unabsichtlich potenzielle Täter, weil die Gesellschaft in der wir leben dies tut. Z.B. indem Frauen von vielen unterschwellig und auch gar nicht bewusst, als weniger wert, Besitz und nicht als weniger wert angesehen werden. Dies passiert auf Grund des Konstrukts der hegemoniale Männlichkeit. Die eigenen Bedürfnisse werden, basierend darauf, über die von „Schwächeren“ gestellt. Dies führt dazu, dass Übergriffigkeit, gegenüber unter anderem Frauen, mehr als legitime Machtdemonstration und weniger als Respektlosigkeit gegenüber eines gleichwertigen Gegenübers zu gelten scheint. Die Schuld für die Tat, so würde ich sagen, wird dabei als Folge der eigenen Position der „Schwäche“ des Opfer eingestuft und die respektlose Misshandlung durch den Täter selbst und dessen Folgen fürs Opfer wird mehr oder minder verdrängt und ignoriert.
Wenn also nun
1. jeder „stärkere“ Mensch, ohne Schuld fühlen zu müssen frei agieren kann und
2. man selbst dafür sorgen muss, dass einem nichts passiert, dann wird man, schlussfolgernd daraus, nur auf Grund des als „schwächer“ betrachtet werdens, Opfer „Stärkerer“, die ihre Bedürfnisse über die Unversehrtheit und Würde dieser stellen zu dürfen scheinen und die Schuld dafür liegt dann auch nicht in deren, sondern dem Fehlverhalten des Opfers… ,dass man sich gefühlt in einer ständigen, von den „Stärkeren“ ausgehenden Bedrohungssituation, befindet, die man nur selbst verhindern kann, erklärt glaub ich ganz gut warum das Gefühl da ist. Dies ist für mich die Ursache für das Gefühl von Bedrohung.
Man hat also vielleicht nicht unbedingt Angst, auf Grund der realen Häufigkeit von Übergriffen, selbst Opfer eines solchen zu werden, sondern fühlt sich eher davon bedroht, dass das eigene Schutzverhalten mehr Einfluss auf die eigene Sicherheit zu haben scheint, als die Achtung der persönliche Würde.
Anstatt das Männer diese Würde lernen zu achten, rät man hier im Thread, damit man sich sicherer fühlt, nen Selbstverteidigungskurs zu machen, nicht alleine raus zu gehen, usw. Denn Schutz vor Tätern geht nur, indem man vorsichtiger ist, so scheint es. So bringt man Frauen z.B. auch bei, den eigenen Drink ständig zu beobachten, anstatt das die körperliche Unversehrtheit von Menschen, die keine Männer sind, auch zu respektieren ist. Die eigene Unachtsamkeit ist eher schuld am K.O. Cocktail, als die Person die diese benutzt und deren meist existierenden Mitwissenden, die die Tat durch ihr schweigen geschehen lassen. Wenn man ein achtsamen miteinander, unabhängig von patriarchalen Machtstrukturen fördert, dann würde man, meiner Meinung nach, auch deutlich sicherer Nachts unterwegs sein, ganz ohne Pfefferspray, Trillerpfeife und co.
Aus meiner Sicht, ist das Relativieren der Gefühle von Opfern ein invalidieren dieser. Durch patriarchale Machtgefälle entstehen ungleiche und auf Bewertung basierende Gefälle die den Anspruch auf die Achtung und Wahrung der Würde eines Jeden beeinflussen. Wenn man dann die Reaktion der Opfer kritisiert dann bewertet man wieder Opfer, anstatt Täter verantwortlich zu machen.
Eigenen Erfahrungen, sollten meiner Meinung nach, kein Richtmaß für die Bewertung anderer Erfahrungen sein. Männergruppen sind in meinen Augen nicht gefährlicher als einzelne Männer. Was gefährlich ist, ist nicht die Anzahl, sondern deren Verhaltenslegitimiation.
Es ist doch eigentlich egal, wie hoch die Zahlen von Gewalttaten tatsächlich sind, wenn die Ursache klar erkennbar die Gleiche bleibt, oder? Sie sollen sinken, da sind wir uns sicherlich beide einig.
Ja, Männer werden auch Opfer von Gewalt. Ja, auch Frauen können Täter sein. Aber warum ist das eigentlich so und was kann man dagegen tun, ohne die Verantwortung dafür den Opfern aufzubürden? Wie funktioniert Täterprävention effektiv, was hilft wirklich und wer hat am meisten Einfluss innerhalb dieser Strukturen?
Der ganze Thread ist voll von Ideen, Kritik, Erfahrungen und anderen bereichernden Inhalten und theoretisch ist auch alles schon mehrfach hier durchgekaut worden, oder? Das ist erstmal echt klasse, finde ich! Was mir noch ein wenig fehlt, ist, neben dem Abgrenzen gegenüber Missbrauch, ein akzeptieren von möglicher unbewusster Mitschuld seitens gerade männlicher User und dem offenen reflektieren, diskutieren und ändern ihres vergangenen Verhaltens. Das ist, glaub ich, die zielführendste Methode, damit die TE und andere FINTA*s sich langfristig irgendwann sicher fühlen können.