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Susanne. Oder: Eine Stunde für eineinhalb Kilometer

Susanne. Oder: Eine Stunde für eineinhalb Kilometer
Schon vorhin als wir noch im Wald waren, wie auch jetzt in den Weinbergen hoch über dem Neckartal, kreisen meine Gedanken um all die Ereignisse, die mich mit Susanne im Lauf der Jahre verbunden haben; und meine trockenen, rissigen Lippen verziehen sich zu einem bitteren Lächeln - zum Glück bemerkt sie es nicht ...
"So also sind wir alle," denke ich enttäuscht und nehme mich nicht aus, im Gegenteil, bei mir fange ich an. Die anderen nehmen wir erst dann richtig wahr, wenn es mit ihnen zu Ende geht, wenn jemand schwer krank ist oder gar stirbt - und um die Lücke in unserem eigenen Leben scheint es schlimmer bestellt als um die Betroffenen, die die Lücke reißen ...
Als wäre das Leben für ihre Knochen schlicht zu schwer zu tragen, bricht immer wieder ein neuer in Susannes Leib, zuletzt der linke Oberschenkelhals - aber sie wollte unbedingt hier oben etwas spazierengehen und jetzt ist es an mir, dass ich mir deshalb Vorwürfe mache ...
Mein Herz zieht sich zusammen, als würde mir jetzt erst klar, wen ich mit ihr verliere, was sie für ein Mensch ist, was sie mir bedeutet ...

Und Susanne!? An wen oder was denkt sie jetzt gerade? Oder ist ist nur mit sich selbst beschäftigt, weil Schmerzen in ihr übermächtig pochen?
Wer hat nicht alles mit dieser attraktiven und Begehrlichkeiten weckenden Frau zu tun gehabt!?
Doch sie ist alt geworden und alle haben sie vergessen, zumindest meldet sich niemand mehr bei ihr. Sie kann kaum noch ein Bein vor das andere setzen - doch ungeachtet dessen, was ist sie nicht immer noch für mich für eine umwerfende Frau!

Ich wundere mich, dass ich so lange nicht mehr an die Vergangenheit gedacht habe. Alles, was ich mit Susanne erlebt habe, wird jetzt in dieser seltsamen Situation in mir wieder lebendig; nichts ist spurlos in Vergesseheit geraten.
Wie sie jeden anderen mir vorgezogen hat, wie sie aber immer wieder zu mir gekommen ist, um ihre Wunden zu heilen, nur um wieder hergestellt wieder von neuem einem Blender sich selber in erster Linie blendend hinterherzulaufen ...
Früher habe ich viel darüber nachgesonnen, wieso, weshalb, warum? Zu sehr war ich ich in meine eigenen Verletzungen verstrickt, als dass ich auch nur einmal sie so gesehen hätte, wie sie ist ...
Heute und hier jedoch, wo eine Krankheit in mir selbst wuchert, blicke ich mit Wehmut und vor allem Selbstmitleid auf Susanne und die Zeit unseres Kennens zurück - genauso erstaunlich wie erschreckend, was man alles falsch machen kann ...
Mit solchen Gedanken gehe ich und ziehe Susanne an der Hand hinter mir her. Wenn die eine Hand erlahmt, nehme ich sie in die andere Hand und ziehe sie so hinter mir her. Schließlich wird es uns beiden zu schwer, wir gönnen uns eine Pause und setzen uns auf eine Bank.
Der Stern über der Daimlerzentrale ist mittlerweile beleuchtet und im nackten Neonlicht der Büros strahlt Untertürkheim im Charme einer überdimensionalen öffentlichen Bedürfnisanstalt.
"Geht's wieder? Komm', wir müssen nur noch ein kurzes Stück weiter. Es wird schon kalt. Geh' halt, so gut du kannst. Sag' einfach, wenn wir wieder eine Pause machen sollen!?"
Ich nehme ihr die Handtasche ab, stütze sie mit dem rechten Arm, wir stehen noch ein bisschen, bis sie genug Kraft geschöpft hat, um weiterzugehen. Wir lassen die Grabkapelle links liegen, nur noch 500 Meter bis zur Bushaltestelle. Langsam tippeln wir weiter, ein alter Mann und eine alte Frau. Mein Magen brennt, es wird Zeit für meine Medizin, hoffentlich merkt sie nicht, wie sauer es mir die ganze Zeit aufstößt ...
Ich lächle gequält in die Dämmerung, ohne sie anzusehen, während ich mir vergegenwärtige, wie Susanne früher denselben Weg in zierlichen Schuhen mit Absätzen rücksichtslos mir und meinem Schmachten gegenüber im Vollbesitz ihrer betörenden weiblichen Reize dahingeglitten ist. Es gab keinen Mann, der sie nicht haben wollte! Um sie war eine regelrechte Aura sexueller Lobpreisung, eine alles Männliche verschlingende Naturkraft. Jeder schaute sie gespannt und angespannt und sprungbereit an und hinter ihr her. So war sie. Das war Susanne. Unmöglich die Möglichkeit, dass sie daran jemals etwas änderte ... und doch ...
Mit Neid denke ich immer noch an die Glücklichen, die sie mir damals vorgezogen hat und die in der Hitze zwischen ihren Schenkeln die Erfüllung gefunden haben! - Mit so einer Frau nur einmal im Bett, erhob einen zum Götterliebling!
Komischerweise habe ich alle diese Typen überlebt, die intelligenten wie die Dünnbrettbohrer, solche mit Geld genauso wie die billigen Aufschneider. Alle haben sie Susanne abgeschleppt und als Trophäe aus willigem Fleisch behandelt - wie konnte sie annehmen, an Selbstwert zuzulegen, wenn sie beinah jeden ranließ?
Doch wo sind all die Galane geblieben? Denkt auch nur einer heute an Susanne? Erinnert sich auch nur einer an die Freuden, die sie so freizügig verschenkte? - Und ihr? Was ist ihr von all den Typen geblieben?
Wie ernüchternd ist für uns beide die Erkenntnis, dass wir uns erst lieben und unsere Liebe frei leben können, seit uns Sex nicht mehr dazwischenkommt ...

Susanne knicken die Beine ein und wir setzen uns auf die Brüstung aus Stein bei der Auffahrt zum Wirttenberg. Der Bus 100 Meter unterhalb von uns hat schon gedreht und steht abfahrbereit an der Endstation.
"Suse, siehtst du den Bus? Komm' das kurze Stück schaffen wir auch noch!"
Stöhnend und nur mit größter Anstrengung versucht sie aufzustehen, doch die Beine versagen den Dienst. Unbeholfen streichle ich ihre Hand. Doch meine Hand ist kalt. Sie sitzt merkwürdig gebückt. Der Bus fährt ohne uns los. Und obwohl es dunkel ist, wage ich nicht, Susanne in die Augen zu schauen, weil ich die Gewissheit habe, ihre Liebe zu mir würde ihr Herz wie ein Mühlrad abschleifen ...
Während wir einandergelehnt auf ein Taxi warten, linst der Mond blass hinter Esslingen hervor und ein paar wenige Sterne glänzen kalt. Wir frösteln und zittern beide.
********rlin Frau
4.012 Beiträge
Was für ein traurig-poetisch-schöner-tiefer-emotional reifer Gegenentwurf zu all den perfekten, schönen jungen Menschen hier.
Danke
*****ida Frau
17.842 Beiträge
So voll, so tief, so ehrlich, so umwerfend.
vielen vielen Dank!
****68 Frau
2.442 Beiträge
Wundersames Leben, Rückblick wird zum Einblick in die wachsende Liebe zweier Protagonisten…. Keine schale Erzählung über blosse Fleischeslust… *danke* dafür *spitze*
******_66 Frau
806 Beiträge
Wundervoll geschrieben... Kompliment
*********enTe Frau
1.587 Beiträge
Die Sichtweise, dir eigen, wie immer analytisch treffend auf die Schwächen, Irrungen und Wirrungen eines jeden Lebens fokkusiert, hinterlässt mal wieder einen wirklich schalen Beigeschmack im Mund. Oder betrifft es mein Herz, meine Seele?
Fader Geschmack, weil es eben so ist - überall Linkstritt. Immer. Und immer wieder. Das ist das Leben.
In ihm aber auch Schritte ins rechte Licht. Auch in deinem.
Vielleicht anderthalb Kilometer.
Hast du die Kraft und den Mut auch dorthin zu blicken?

Ich weiß, Veränderungen der Sichtweisen bedeuten Herausforderung, Energie und vor allem Unsicherheiten.
Manchmal erhält man im Austausch noch nie ‚Gesehenes‘.
******ico Paar
5.898 Beiträge
Mitnehmend in mehrerlei Hinsicht!
Danke
Rico
********t_64 Frau
3.314 Beiträge
Grandios geschrieben...
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