Viele hängen sich an dem "Es ist doch nichts passiert" auf. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht nicht darum, dass "nichts" passiert ist.
Es geht um das Mindset eines Menschen, der deutliche Anzeichen von obsessivem Verhalten und mangelnder Impulskontrolle zeigt und für einen Kontakt mit einem Menschen, der nach ein paar Sekunden und einer handvoll Worte auf ihn derart gewirkt hat, dass er nach MONATEN, wo er ihn zufällig wiedersieht, alles stehen und liegen lässt und bereit ist, diesen Menschen sofort zu verfolgen.
Ja, natürlich hat er nicht wissen können, wohin sie fährt. Aber genau das ist ja das Schreckliche. Wie lange wäre er wohl bereit gewesen, da hinterherzufahren, nur um Kontakt zu bekommen?
Als er dann gesehen hat, dass sie irgendwo parkt, hat er ebenfalls nicht beschlossen, sie direkt anzusprechen. Nein, er hat systematisch gelauert. Er hat gewartet, bis sie weg ist, hat sich nicht für ein persönliches Gespräch entschieden (meine Erfahrung ist die, dass Menschen, die den direkten Kontakt scheuen und Umwege suchen, keine direkte Abfuhr wollen und mit diesem Umweg versuchen, die Situation zu kontrollieren), sondern dafür, ihr einen Zettel ans Auto zu stecken. Die Möglichkeit für ein Gespräch auf Augenhöhe ist damit weg. Er hat versucht, schonmal einen Fuß in die Tür zu bekommen, ohne dass sie das hätte verhindern können. Er hat die Kontrolle über die Situation an sich gerissen - völlig egal, ob aus Schüchternheit oder nicht.
Jemanden ohne dessen Wissen zu verfolgen, diese Heimlichtuerei und dieses Bemühen, dabei nicht aufzufallen, nicht aufgehalten werden zu können und DANN Kontakt aufzunehmen, wenn derjenige quasi nicht mehr weg kann - weil er da wohl wohnt - ist nicht in Ordnung. Das ist ein Charakterzug. Der Charakterzug eines Menschen, der keinen Kontakt auf Augenhöhe sucht, sondern versucht, sich um Grenzen zu winden, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Das MAG im Outcome die meiste Zeit harmlos sein. Wer sowas tut, ist nicht automatisch bösartig oder verrückt oder gefährlich. Aber er ist manipulativ und entscheidet sich willentlich und wissentlich dazu, zu kontrollieren und dabei dem anderen gleichzeitig ein Stück Kontrolle zu entziehen, um sich um eine Grenze zu schleichen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gezogen worden wäre, hätte er sich für den direkten, persönlichen Weg entschieden (nämlich die Grenze: Nein, ich möchte dir nicht direkt sagen, wo ich wohne, ich möchte dich - wenn überhaupt - erstmal auf neutralem Boden kennenlernen).
Es ist völlig abgefuckt, dass sowas als normal betrachtet wird. Es ist respektlos. Und ja, auch Schüchterne können respektlos sein. Dass sie schüchtern sind, ist nichts, was in mir ein solches Mitleid oder Wohlwollen hervorriefe, dass ich so ein Wiesel-Verhalten einfach ignorieren würde.
Leute führen sich (zurecht) auf, wenn Partner hinter ihrem Rücken in ihrem Handy nach Infos schnüffeln, haben aber kein Problem damit, dass ein völlig Fremder ihnen heimlich bis nach Hause folgt, um an Infos für einen Kontakt zu kommen.