„Wenn ich mal so ca. 30 Jahre zurückdenke, weiß ich dass meine jetzige Lage früher wohl eher Horror gewesen wäre: Ich lebe längere Zeit solo - und es stört mich nicht.
Ich denke mal fast 40 Jahre zurück: die Partnerschaft mit meiner allerersten Freundin hielt sechs Jahre - ein Ende im verflixten siebten Jahr kam bei zwei weiteren Beziehungen, die längste dauerte doppelt so lange. Zwischen diesen Beziehungen verlief nie wirklich viel Zeit, bis ich mich wieder ins Dating stürzte. Mit anderen Worten war da definitiv immer ein Beziehungswunsch, den ich fast automatisch befolgte.
Das hat sich nach der letzten Beziehung vollkommen verändert - wie ich da und dort im JC Forum beschrieben habe, war deren Ende ein Weckruf für mich: es gab da ein Muster, was dazu führte, dass ich mich in Frauen verliebte, deren toxische Persönlichkeit erst nach einiger Zeit erkennbar wurde. Weil Kinder involviert waren, kam eine übereilte Trennung nicht in Frage, der Ausstieg war sorgfältig geplant.
Erst jetzt erkannte ich, was mich jahrzehntelang begleitet hatte: der Wunsch nach dem heilen Familienleben, das ich selbst als Kind in einer dysfunktionalen Familie nicht hatte. Mit Hilfe einer Therapie gelang es mir, alles Vergangene als das zu erkennen, was es ist, es zu verarbeiten, und seither sehe ich vieles im Leben aus einer vollkommen anderen Perspektive. Dazu gehört, dass mir bewusst geworden ist, dass ich keine Partnerin brauche, um glücklich zu sein - das kann nur aus mir selbst heraus kommen.
Was mir fehlt, sind tatsächlich emotionale und körperliche Intimität - das sind Dinge, welche sich die meisten Menschen intrinsisch wünschen - wie auch die Wissenschaft längst auf vielen verschiedenen Wegen beweisen konnte. Nur, viele Menschen lernten als Kind, genauso wie ich, dass Liebe "verdient" werden muss, unter Bedingungen jenes Partners, der (aus welchen Gründen auch immer) am längeren Hebel sitzt.
Der Preis, den ich für diese Art "Liebe" bezahlt habe, ist gewaltig (menschlich wie finanziell), ganz genau das brauche und will ich nicht mehr. Ich bin jetzt deutlich über ein Jahr Single und verspüre absolut keinen Zeitdruck. Gerade beim Kennenlernen von Frauen lasse ich mir Zeit, und dank meinem neuen Wissen konnte ich zuverlässig und recht schnell immer die Notbremse ziehen, wenn etwas eindeutig zu schnell ging und zusätzlich einige andere Alarmsignale (die berühmten "roten Flaggen") auftauchten. Mit einer Frau landete ich sogar im Bett, und genau da ist ihre Maske gefallen. Das war richtig spannend und irgendwie auch befreiend, denn früher hätte genau so eine neue Beziehung begonnen. Ein Lackmustest.
„Ob man diese Gelassenheit nun auf Dauer behält, ist für mich etwas, was ich nicht als klar und selbstverständlich gesetzt sehe.
Das wird bestimmt jeder Mensch ganz persönlich betrachten und entscheiden. Gerade auch hier im JC sind mir einige Frauen (virtuell und teilweise auch in echt) begegnet, die ganz ähnliche Erfahrungen wie ich selbst gemacht haben und deshalb einen Gang oder zwei zurück geschaltet haben. Darunter sind auch welche, die sich vom Gedanken an eine Beziehung zumindest temporär verabschiedet haben, weil sie anscheinend keinen Mann (in unserer/meiner Altersklasse) finden, der sich zu mehr als einer "Freundschaft Plus" bekennen möchte - viele wollen angeblich nur noch Sex und sonst nichts. Als Antwort darauf wollen diese Frauen auch nur noch Sex, viele vorzugsweise mit jüngeren Männern.
Ganz tief in mir drin glaube ich sehr wohl daran, dass mir demnächst, irgendwann in unbestimmter Zeit, eine Frau begegnen wird, die wie ich eine Beziehung auf Augenhöhe möchte, genau mit dem Drum und Dran, das wir beide gemeinsam finden werden - nicht nur, aber auch, um diesen intrinsischen Wunsch nach emotionaler und körperlicher Intimität zu erfüllen. Ich nenne das mal ein wenig naiv "Urvertrauen" ins Leben, und genau das lässt mich entspannt in die Zukunft blicken, auch wenn mir mittlerweile das Gute im Hier und Jetzt absolut am besten gefällt. Und davon gibt es, trotz Corona, ganz viel.