OK, mein "Beruf" ist für Nähe zu Menschen toxisch: Ich bin Unternehmer, und obwohl ich gerne mal ein Werkzeug in die Hand nehme, ist da diese Distanz, die man gar nicht bewusst herstellen will (Anekdote: Ich wollte beim Besuch meiner Maschinenbaufirma den Mechanikern einmal zur Hand gehen, als ein junger Ingenieur dazwischenging. Ob ich etwas falsch gemacht habe, wollte ich wissen. "No, no...", erwiderte er, "but you are such a high level person"). Er dachte, ich wäre kein normaler Mensch? Dabei wechsle ich auch leere Toilettenpapier-Rollen selber aus.
Darf ich also nicht einmal einen Schraubenschlüssel drehen und ins Gespräch kommen..!?
Nein, im Ernst: Es ist ambivalent. Man kommt in eine Firma, und Gespräche verändern sich hörbar oder Menschen, auch Mitglieder der Geschäftsführung benehmen sich komisch, als müssten sie etwas Bedeutungsschwangeres sagen. "Hey, ich war gestern Volleyball-Spielen am Strand!", wäre auch gut.
Gleichzeitig bekommt man nach TV Interviews zu spannungsarmen Energiemarkt-Themen E-Mails von oft jungen Frauen, und die Geschäftsführerin meiner Holding hat mir schon an mich adressierte Bewerbungen mit Ganzkörperfotos schöner Schulabgängerinnen in hautengen Kleidern gezeigt, die im Büro arbeiten wollten.
Und, ja ich gebe es zu: Ich bin einmal der Date-Einladung einer gerade Volljährigen gefolgt und habe ein paar wunderbare Reisen mit ihr unternommen, die von Dauer-Sex geprägt waren, und die Einladung einer umwerfend gebauten Prokuristin, die mir ihre Visitenkarte im Café zukommen ließ, schlug ich auch nicht aus (beide Damen wählten verblüffenderweise Venedig als eines der Reiseziele). An meinen Schatten unter den müden Augen mag das weniger gelegen haben als an der italienischen Limousine, die ich direkt vor der Café-Terrasse geparkt hatte - die goldene Sprosse im Hamsterrad in gleich doppelter Hinsicht: Perfekter Parkplatz und Sex mit einer jungen Kaffee- und Reiseliebhaberin.
Ich muss allerdings sagen, mir wirklich gewünscht zu haben, daraus Beziehungen entstehen zu lassen, die natürlich am Altersunterschied gescheitert sind. Man redet ja auch gern... über Kraftwerke in Ghana, Steuersoftware für die ESA - also über die Arbeit, außerdem über Kunst, Theaterbesuche, Politik - was junge Menschen wohl nicht ganz so interessiert.
Somit ist mein Leben total einsam, und die hoffnungslose Idiotie, auf Dating-Plattformen eine gesellschaftlich liberale Partnerin zu finden, entpuppt sich als netter Zeitvertreib in meinen Kaffeepausen.
Vor Corona hatte ich drei Flugreisen pro Woche (135 im Jahr vor dem Shutdown), dazu Bahnfahrten, lange Touren in Autos und mit Ostseefähren... - die Idee an ein Sex-"Leben" erfordert da wohl viel Phantasie (eine meiner Freundinnen habe ich immerhin auf viele der Geschäftsreisen mitgenommen und manch dumme Kommentare überhört). Ich glaube, für etwas wie ein "Sexleben" wäre eine Beziehung, die den Namen verdient, ideale Voraussetzung.
So lebe ich in drei Häusern mit großem Grund, kann praktisch tun und lassen, was ich will, aber für eine Beziehung bin ich zu dumm (geworden): Jeder ist seines Glückes Schmied!