Es wurde nach Erfahrungen gefragt:
Mein Körper hat bis heute eine Reise hinter sich, die viele Stadien umfasst. In den jungen Jahren schlank, ab Mitte 30 zunehmend, dann sehr stark zunehmend ab 45. Gründe für die Gewichtszunahme sind mir mittlerweile klar geworden.
Die Reaktion anderer auf mich hat sich über die Jahre geändert. Während meiner schlank-sportlichen Zeit nahm ich nur einen negativen Kommentar wahr, ich hätte so schmale Schultern. Heute, in der Rückschau, weiß ich, dass der Maßstab mich so erscheinen ließ: um mich herum sehr breite Schultern, gegenüber denen ich schmal aussah. Weswegen ich das schreibe? Es war ein Kommentar meiner Mutter. Sie hat mich geliebt, keine Frage, sie hat aber auch Vorstellungen zum Thema Männlichkeit besessen. Ob ihr das damals so klar war wie mir heute, bezweifle ich.
Väterlicherseits war Sport immer dazugehörig. War auch Bestandteil seines Berufes. Je älter er wird, umso krasser die Aussagen gegenüber adipösen Menschen. Seine Ansicht: es ist nur eine Frage des Willens.
Tja, das ist das, was Familie widerspiegelt. Und in der Familie ist alles enthalten, von adipös bis sportlich, bis ins hohe Alter. Ebenso asketische Lebensweise bis relativ üppig. Familie ist aber auch das, was mich geprägt hat. Es sind nicht nur die Werte sondern auch die Ansichten, die mich geprägt haben.
Die Begeisterung meiner Mädels (drei Töchter) für Germanys next Top Model konnte ich nicht nachvollziehen, empfand es sogar als schädlich. Vielleicht haben die Gespräche darüber etwas bewirkt für die Einordnung. Aber die aus der Sendung hervorgegangenen „Werte“ zeigen Spielregeln auf, wie sie tatsächlich ablaufen.
So gut die Beiträge hier sind, sie spiegeln nicht das wieder, was die übliche Reaktion bzw. das Feedback auf Übergewicht ist, was ich erlebe. Sei es im privaten, in der Öffentlichkeit, im Beruflichen.
Hinzukommt bei mir, es wäre mit anderer Lebensführung, mit anderer Konsequenz in den Auswüchsen vermeidbar gewesen. Neben Scham läuft das Programm „eigene Schuld“ auch innerlich wie als stilles Feedback von außen ab.
Andererseits, ich habe genug erlebt, was für drei Leben reicht. Und da liegt der Hase im Pfeffer begraben, was meiner Meinung nach zu wenig Beachtung findet: es gibt eine Geschichte dazu. Und nur, wer die Geschichte kennenlernen will, kann auch den Menschen, der da vor einem steht, verstehen. Alles andere bleibt bei der äußeren Hülle und dem BMI verhaftet. Und unterbewusst bei den diesen Tatsachen zugeordneten Eigenschaften und Gefühlen, die bis zu Ekel, Hass und nicht nur Ablehnung oder Einstufung als unattraktiv gehen. Alles selbst erlebt.
Menschen vergleichen, das ist normal und auch notwendig. Und das mache ich auch. Ich habe kürzlich mein aktuelles Gewicht im Profil ergänzt, bewusst. Ein Profil wie hier ermöglicht mir, mich zu verstecken oder nur das zu zeigen, was positiv erscheint. Es ist aber dann nur ein Teil von mir und verhindert, das ich als Ganzes wahrnehmbar bin. Andererseits lasse ich nachher neue Fotos von mir erstellen, auch ein Zeichen meiner Veränderung.
Ich kann meine Darstellung verändern, aber das, was von außen auf meine Darstellung zurückkommt, kann ich nicht verändern. Daher ist neben der eigenen Achtsamkeit die Stärkung des eigen Ich’s so wichtig, um Toleranz für sich und Resilienz gegenüber der Umgebung zu bewahren.
Danke für den Thread von Schlaflos an der Ostseeküste