„Wie definiere ich Liebe…“,
das ist, so meine Erfahrung, eine typische Frageweise von vielen. Eine wunderbare Frageweise, wie ich finde dennoch. Gerade zu Themen, wo man so lange meint, es zu wissen, bis jemand nachfragt und es ganz genau wissen will. Und dann weiß man plötzlich nur noch das Eine:
„Nun wird es ganz schwer!“
Eine Definition für „Liebe“ zu haben, wäre wirklich schön.
Definitionen, das sind diese kurzen, präzisen Sätze, um die ich früher im Schulheft oder in den Vorlesungsmitschriften einen Rahmen gemalt habe. Sätze, die einen komplizierten Sachverhalt griffig machten.
Zumindest so weit, dass man irgendwie damit weiterarbeiten kann. Also so was wie:
„Der ‚Boden‘ ist der Bereich der oberen Pedosphäre, in dem sich Lithosphäre, Biosphäre, Atmosphäre und Hydrosphäre durchdringen.“
Oder:
„Glaube ist das Ergriffensein von dem, was uns unbedingt angeht.“ (Paul Tillich)
Wenn man denn weiß, was die „Pedosphäre“ ist oder „was einen unbedingt angeht“, dann ist alles klar. Und so etwas soll ich nun für den Begriff „Liebe“ abliefern?
Nein, daraus wird nichts. Und ein enziklopädischer Artikel wird es erst recht nicht. Eher eine vorsichtige Annäherung an das, was ich unter Liebe verstehe bzw. nicht darunter verstehe. Ich hoffe die TE kann was damit anfangen, wenn ich das versuche.
Allerdings begleitet mich bei diesem Unterfangen der Verdacht, ich würde bei einem Großteil der Leserschaft entweder ein süffisantes Grinsen oder ein mitleidiges Lächeln auslösen. Aber egal, ich sehe das ja nicht.
Ich selbst benutze den Begriff „Liebe“ fast gar nicht. Nur sehr sparsam dosiert für Liebeserklärungen. Rückblickend habe ich das Wort „Liebe“ und die für mich hieraus empfundene Zuneigung zu einem Menschen, bisher nur vier Menschen gegenüber geäußert. Für diese Menschen, wäre ich in der Tat jedes Risiko (ausgenommen von Straftaten) eingegangen.
Er wird mir allgemein zu leichtfertig und fast schon inflationär oft benutzt. Und dann auch noch für die verschiedensten Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Da ist es nachvollziehbar, dass die TE eine feste Definition haben möchte.
Da redet jemand von „käuflicher Liebe“, wenn er Prostitution meint. „Liebe“ meint hier „Sex“, und zwar dessen beliebige und flüchtige Sorte.
Jemand anders beschreibt Gott als die „absolute Liebe“. Welch ein Bedeutungsspektrum! Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die griechische Sprache allein fünf verschiedene Begriffe für das hätte, was wir alles mit Liebe bezeichnen.
„Ich liebe Mozart,“ meine damit, dass ich die von Mozart komponierte Musik mag, sie gerne höre. Das würde ich als etwas „wertschätzen“, „mögen“ oder „gernhaben“ bezeichnen. Das ist dann aber noch nicht unbedingt Liebe.
Wenn man einen Menschen sympathisch findet, ihn wertschätzt, gerne mit ihm zusammen ist und wenn diese Empfindung auf Gegenseitigkeit beruht, kann sich eine Freundschaft daraus entwickeln.
Aber als einer der „Norm“ abweichender Mensch, benutze ich auch den Begriff „Freund“ bzw. „Freundschaft“ eher sparsam. Nicht jeder nette Mensch, mit dem man öfters Umgang hat, ist deswegen gleich ein Freund. „Nennen Sie ihre zehn besten Freunde,“ so wurde ich mal bei einem Bewerbungsgespräch gefragt (wohl um etwas über die Beziehungsfähigkeit meiner Persönlichkeit zu erfahren).
Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt zehn Freunde habe, geschweige zehn „beste“ Freunde. Die Tendenz ist viel in den unteren Regionen bei mir zu finden. Weniger ist in der Tat viel mehr für mich.
Einmal warnte ich meine Tochter davor, ihre intimen Sehnsüchte allzu offen auf Facebook zu posten, schließlich könnten 37887954 Leute das lesen. „Das sind doch alles meine Freunde, die kenne ich ja alle,“ meinte sie daraufhin treuherzig.
Gleich ganze Jahrgänge ihrer Schule als „Freunde“ zu bezeichnen, ist sicherlich verfehlt. Der englische Begriff „friend“ wird in der deutschen Version von Facebook zwar mit „Freund“ übersetzt, meint aber auch „Bekannter“. Und das ist was anderes meiner Meinung nach.
Zu einer Freundschaft gehören also Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Trotzdem muss Freundschaft nicht unbedingt Liebe beinhalten. (Liebe nach meinem Verständnis meine ich, wonach die TE ja gefragt hatte.)
Auch dann, wenn sich zwei befreundete Menschen erotisch attraktiv finden, würde ich nicht gleich von Liebe sprechen. Vielleicht ist es nur ein Verliebt-Sein oder eine Romanze. Aber natürlich kann sich aus einer tiefen Freundschaft oder einer Romanze wahre Liebe entwickeln.
Nämlich dann, wenn die Beziehung einen wesentlichen Stellenwert im Leben bekommt. Ähnliches gilt auch für unseren oben erwähnten Mozartliebhaber. Wenn mich die Leidenschaft für Mozart dazu bringt, Musiker oder Musikhistoriker zu werden (was ich nicht bin, aber gewiss interessant klingt) bzw. wenn ich viel Zeit und Geld in Konzertbesuche und eine Plattensammlung investiert, dann ist es Liebe!
Der Stellenwert im Leben lässt sich meiner Meinung nach an zwei Dingen erkennen. Ein Kriterium ist die Frage, ob und wie es sich auswirkt, wenn die geliebte Person oder Sache nicht da ist.
Kommt dann Sehnsucht auf? Abschiedsschmerz? Oder, wenn es endgültig ist, Trauer? Meine Tochter mit ihren 37889570 „Freunden“ auf Facebook wird es dagegen nicht einmal merken, wenn sich ein Dutzend von denen aus ihrer Freundesliste rausklickt.
Dass die Liebe einen wesentlichen Stellenwert im Leben hat, wenn sie nicht nur Liebhaberei ist, macht die eingangs zitierte Definition Paul Tillichs über den Glauben auch für die Liebe anwendbar.
Die Bindung von Liebenden kann so weit gehen, dass sie einander gar nicht mehr loslassen wollen, dass sie wie Kletten aneinanderhängen. Dann frage ich mich, ob das wirklich noch Liebe ist, oder eher das den anderen Besitzen-Wollen. Zumindest ist es nach meinem dafür eher das letztere.
Damit kommen wir zu dem zweiten Punkt. Der besteht nämlich in der Bereitschaft, für den geliebten Menschen (oder die Sache) Opfer zu bringen. Nicht zu verwechseln mit sich selbst aufzugeben.
Wenn liebende Menschen z. B. die Ehe eingehen, dann geben sie u.U. eine Menge auf: einige Freiheiten, das Elternhaus, eventuell den Wohnort und die Arbeitsstelle etc. Wer seine Kinder liebt, der liebt bedingungslos und gibt Zeit und Mühe für ihre Erziehung ohne zu hinterfragen, geht z. B. abends nicht mehr so oft aus. Und für die eben erwähnten „Kletten“ bedeutet das, dem Partner Freiräume zuzubilligen und ihn auch mal in Ruhe zu lassen. So meine Wunschvorstellung….
Am deutlichsten wird das Wesen der Liebe in der Treue und aufopferungsvollen Pflege behinderter und gebrechlicher Angehöriger. Besonders dann, wenn man selbst von ihnen nichts mehr erwarten kann, vielleicht nicht einmal ein dankbares Lächeln.
Daran zeigt sich, dass das Wort von der „käufliche Liebe“ ein Paradoxon ist.
In Liebe kann man Zeit, Geduld, Verständnis, Fürsorge …waht ever (investieren) aufbringen, man kann Opfer dafür bringen, man kann um sie werben. Wobei schon hier viele scheitern.
Aber man kann sie nicht kaufen. Weder für Geld, für Geschenke, für Zärtlichkeit, für Hilfeleistungen und auch nicht für die eigene Liebe, die man dem Anderen entgegenbringt. Liebe gibt es immer nur freiwillig und geschenkt. Und mit nichts auf der Welt kann man sie erzwingen.
Hoffe, das war nun nicht zu sehr philosophisch.
Wie immer, meine Meinung ……blablabla…..