„Auf Augenhöhe“, das heißt für mich, die Beziehung, das Gespräch ernsthaft zu betreiben, ernst zu nehmen, den Partner oder die Partnerin zu nehmen, wie er oder sie ist: gewichtig und gleichbedeutend!“
„Den Partner oder die Partnerin zu nehmen, wie er oder sie ist: gewichtig und gleichbedeutend“!!??
Aber schaffen wir das denn immer? Ich glaube , das gelingt in der Tat nur den ganz ganz wenigen.
Diese Spezies Mensch kenn ich zu genüge. Sie erzählen Dir wie wichtig ihnen „Augenhöhe“ ist, und bereits mit dem weiteren Satz, widersprechen sie sich selbst.
Augenhöhe wird immer wieder verlangt, um eine ordentliche Konversation in Gang zu bringen. Es ist jedoch eben überhaupt nicht leicht, Konversation mit jenen zu treiben, denen man nicht abnimmt, ebenbürtig zu sein.
Ebenbürtig heißt für mich nämlich gleichbedeutend, heißt aber auch, dem anderen nicht unterlegen zu sein und schon gar nicht überlegen.
Sich nicht schwächer zu fühlen und auch nicht stärker. Der, mit dem wir in solchen Fällen sprechen, ist in jeder Hinsicht ebenbürtig. Das ist die allgemeine Vorstellung, wenn von Augenhöhe in Beziehungen die Rede ist. Konfliktpotenzial im BDSM Bereich oder gänzlich in zwischenmenschlichen Beziehungen?
Heute ist das Wort aber oft nichts anderes als der Versuch eines Beweises, dass man mit der Zeit geht, aber null Ahnung hat, was es eigentlich im Kontext zu Beziehungen bedeutet.
Früher hat man nicht gewusst, was darunter zu verstehen sei. Heute kann man „auf Augenhöhe“ immer wieder Konversation betreiben, ohne genau zu wissen, was darunter zu verstehen ist. „Die Kommunikation auf Augenhöhe ist die Abbildung von Gleichstellung“, lese ich. Das kann für die Intelligenz, für Bildung, wie auch in vielen anderen Bereichen gelten.
Andererseits könnte man auch an die intellektuelle Augenhöhe denken. So muss ich mich also mit meinem Gegenüber nicht nur umfassend unterhalten, sondern auch diskutieren und philosophieren können. Oder gibt es eventuell ein Intelligenz- oder Bildungsgefälle, ein Kulturelles gar Glaubensgefälle.
Sollte man daher nach meine dafür, schon bei diesen Persönlichkeitsmerkmalen nicht wertfrei interagieren können, sind häufig Konflikte oder Beziehungsdifferenzen vorprogrammiert.
Wenn die „Augenhöhe“ nicht stimmt, gleicht es aus meiner Sicht die Konsequenz einer Respektlosigkeit. Damit entstehen aber Machtspielchen und verdeckte Kommunikation, diese schadet der Beziehung und der Gesundheit.
Die Frage, ob der Begriff „auf Augenhöhe“, der jetzt so häufig verwendet wird, daher all solchen Definitionen standhält, ist kaum jemandem klar, der ihn gebraucht.
Die meisten, die ihn verwenden, haben ihn gehört und nehmen an, dass er richtig ist. Mehr aber auch nicht.
Dass es auf den Zusammenhang ankommt, ist egal. Hauptsache, es klingt gut. Aber die meisten verstehen ihn bzw. wollen ihn auch nicht verstehen.
Für mich ist daher Augenhöhe unabdingbar mit der Thematik Toleranz verknüpft. Wohl wissentlich das auch bei der Thematik Toleranz, viele absolut tolerant intolerant in ihrem Charakter sind, aber von sich behaupten, tolerant zu sein. Aus meiner Sicht kann daher ohne Toleranz keine Augenhöhe und ohne Augenhöhe keine Toleranz stattfinden.
Daher hört sich „Augenhöhe“- schön und gut an, aber…… die Realität sieht häufig anders aus.
Paul Watzlawick brachte es eigentlich auf den Punkt: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ Also eigentlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Anders ausgedrückt: Wenn ich es nicht besser weiß, nutze ich einfach das, was ich kenne in allen Situationen. Persönlichkeitsentwicklung sieht jedoch anders aus.
Aber, den universellen Weg Augenhöhe zu erreichen, gibt es meiner Meinung nach nicht. Ich bin davon inzwischen überzeugt, dass es einige Grundvoraussetzungen dafür gibt, die aber nicht jeder Mensch innehat.
Seine Spannungen mit sich selbst klären zu können, ist dabei entscheidend. Klarheit und Bewusstheit über mich selbst ist der erste Schritt. In vielen Situationen ermöglicht dies auch auf Augenhöhe mit einer anderen Person zu kommen.
Bewusst werden – Selbstkenntnis (ICH):
Ist es mir gerade möglich, mit einem anderen Menschen auf Augenhöhe zu gehen, was behindert mich dabei? Was macht mein Autopilot? Welche Programme laufen in mir?
Kann ich wirklich präsent sein?
Meiner Meinung nach birgt dieser Schritt der Erfahrung die größten Herausforderungen und gleichzeitig die meisten Möglichkeiten. Auf Augenhöhe mit einer anderen Person sein, geht nämlich nicht als Strategie. Es bedeutet eine echte und nachhaltige Veränderung der eigenen Persönlichkeit.
Und genau hier liegt meiner Meinung nach der Krux. Viele reden immer zu von Persönlichkeitsveränderungen, schaffen es jedoch nicht sich selbst kritisch zu hinterfragen, was nötig ist, Veränderungen herbeizuführen. Sie verfallen immerzu den gleichen Mustern.
Wer sich dies bewusst ist, kann darüber nachdenken, den Blick nach außen zu legen.
Gegenüber einschätzen – Menschenkenntnis (DU): Was könnte den anderen Menschen beschäftigen? Was könnte ihm wichtig sein?
Bewusste Interaktion – Sozialkompetenz (WIR): Wie kann ich das, was mir wichtig ist und das, was meinem Gegenüber wichtig sein könnte, berücksichtigen? Ganz nebenbei – was nutzt es mir?
Das ist – für mich – die zentralste aller Fragen, da es den Schlüssel zu meiner eigenen Motivation darstellt. Denn ohne intrinsische Motivation ist echte Veränderung nicht möglich.
Und so mag es nicht verwundern, dass die Motive auf persönlichen Level sehr vielfältig sein können. Aus persönlicher Sicht: Persönlicher Frieden, mehr (eigene) Freiheit, stabilere Beziehungen, einfachere Zielerreichung uvm..
Also an sich Arbeiten auf Augenhöhe und alles ist gut?
Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn dort wo Menschen zusammentreffen und sich zu einem WIR formieren wollen, gibt es neben der menschlichen Seite, immer Strukturen, Prozesse, Abläufe, Organisation etc. die miteinander interagieren müssen.
Wächst man z.B. überwiegend auf der Seite der Zusammenarbeit ohne die Rahmenbedingungen auf Seiten der Beziehungen zu verändern, so kann das schnell zu Frust und mehr führen und eine Negativ-Spirale auslösen.
Wächst man dahingehend überwiegend durch agile Strukturen, ohne die Seite des Gegenübers zu berücksichtigen, kann dies z.B. zu Überforderung in der Beziehung führen.
Ich bin daher überzeugt, dass es Wachstum auf beiden Seiten benötigt – Mensch UND Augenhöhe, und bin mir sicher, dass es nicht DIE richtige Vorstellung davon gibt, was Augenhöhe ist. Aber ohne Toleranz wird es keine Augenhöhe geben.
Eine gute und offene Kommunikation ist in jeder Beziehung wichtig. Der Spagat zwischen Machtgefälle und Augenhöhe in einer Partnerschaft ist jedoch nur mit deutlicher Kommunikation zu schaffen. Ohne eine offene Kommunikation über Wünsche, Grenzen und Tabus kann eine solche Beziehung überhaupt nicht funktionieren. Auch, wenn ein 24/7-Konstrukt oder eine TPE-Beziehung in der Fantasie reizvoll ist, sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass jederzeit die Möglichkeit gegeben ist, diesem nachzugeben.
Dazu gehören gesellschaftliche Anlässe, bei denen Zurückhaltung geboten ist oder auch schlicht gesundheitliche oder emotionale Gründe. Der Mensch ist keine Maschine und manchmal ist eben auch einfach nicht die Stimmung da, um zu spielen. Dann ist eine Auszeit vom Machtgefälle angesagt. Dies muss man gerade in “Vollzeit-Beziehungen” dem Partner klar mitteilen, damit keine Missverständnisse entstehen.