„„Augenhöhe - Überbewertet oder vielleicht auch unmöglich?
Im BDSM liest man immer und immer wieder von der Augenhöhe.
Wie wichtig sie sein soll beim ersten Treffen, in der allgemeinen Kommunikation oder besonders in Konfliktsituationen.
Selbst langjährige BDSMler, die 24/7 Beziehungen leben und/oder anstreben, schwören mitunter darauf sich auf Augenhöhe kennenzulernen oder auch extra Zeiten dafür innerhalb ihrer Beziehung zu haben.
BDSM ist mehr als Machtgefälle. Augenhöhe und BDSM schließen sich für mich nicht gegenseitig aus.
Ich kann nur für mich sprechen. Ich verstehe unter Augenhöhe zunächst eine Gleichberechtigung auf allen Ebenen ohne jegliches Machtgefälle und ja, ich brauche diese Augenhöhe beim Erstkontakt per ClubMail und ja, ich brauche diese Augenhöhe wenn ich ihn zum ersten Mal real treffe.
Wir stehen uns zum ersten Mal gegenüber, ich begrüße ihn genauso wie ich jeden anderen Menschen begrüße, den ich treffe. Wir setzen uns an einen Tisch und beginnen zu reden, wie ich mit jedem anderen Menschen rede, den ich treffe. Ich bestelle mir ein Getränk welches ich möchte, wann ich möchte und wieviel ich möchte. Ich stelle ihm Fragen über Themen die mich interessieren und ich erwarte ehrliche und aufrichtige Antworten. Bei diesem ersten Treffen geht es mir darum herauszufinden, ob wir außerhalb vom Machtgefälle zueinander passen, da ich mir mehr als S/M Sessions mit ihm wünsche.
Stellt sich in diesem ersten Treffen ein erstes leichtes Machtgefälle ein mit dem ich mich wohl fühle, lehne ich das nicht ab. Ich sage dann nicht: ey was soll der Scheiß, wenn es sich gut anfühlt. Ich brauche dieses Machtgefälle jedoch nicht im Vorfeld von ClubMails, um mich mit ihm zu treffen und ich brauche dieses Machtgefälle nicht vom ersten Augenblick des realen Treffens an.
Selbstverständlich möchte ich seine Dominanz spüren. Dafür brauche ich aber keine Ansagen, wie dass ich auf der Restauranttoilette meinen BH ausziehen soll. Dominanz kann auch "in der Luft liegen". Seine Art zu sprechen, seine Gesten, sein Blick. Wenn er mich mit seiner Dominanz "packt", dass ich denke "ja - ich will", dann passt es. Er wird das bei mir merken wie ich mich verhalte, wie ich spreche, wie ich schaue. Dennoch bleibt das Gespräch für mich auf Augenhöhe. Es kribbelt nur im ganzen Körper dabei.
Für mich gibt es Themen in meinem Leben, die ich in einer beginnenden Beziehung aus dem Machtgefälle ausklammern möchte, solange mein Vertrauen noch nicht tief genug ist. Es gibt auch Themen in meinem Leben, die ich im weiteren Verlauf einer Beziehung ausklammern möchte, egal wie tief mein Vertrauen ist.
Bei mir ist Vertrauen nicht in allen Bereichen ganz selbstverständlich von Beginn an da, nur weil er sagt, dass er der Dom ist. Ich spreche ganz bewusst nicht davon, dass er sich mein Vertrauen verdienen muss, aber ich spreche davon, dass mein Vertrauen wachsen muss. Das geht nur mit guten Erfahrungen und nicht wenn er mich von Beginn an überfordert. Je mehr gute Erfahrungen ich mache, desto tiefer wird das Vertrauen und desto mehr Bereiche bin ich bereit abzugeben.
Dennoch bleibt für mich die Möglichkeit der Augenhöhe (Gleichberechtigung ohne Machtgefälle) auch in einer Beziehung wichtig. Den Alltag normal zu gestalten und trotzdem im Machtgefälle mit meinem Partner zu leben. Das heißt nicht, dass ich nur dann seine Anweisungen befolge wenn ich das möchte, sondern dass er mir bewusst Bereiche lässt, wo er nicht eingreift.
Alles und jeden Bereich meines Lebens zu sexualisieren ist für mich nicht leistbar.
Wunderbarer Beitrag zum Thema, danke dafür! Spricht mir aus der Seele.