Ich staune immer wieder, dass es zu Lagerkämpfen kommt, als wenn man sein "Liebesformat" verteidigen müsste. Ob Monoamor oder Polyamor würde aus meiner Sicht eher in den Bereich der unveränderbaren Neigungen fallen. Wenn ich mich lange damit beschäftige, lerne ich doch sicherlich, verträglich für alle Betroffenen oder staunenden Zuschauer meine Art zu lieben als meine Präferenz zu vermitteln, ohne missionarisch daraus ein bewussteres Lieben zu machen.
Wenn ich aber aus einer amorösen Eigenart ein schickes neues Outfit mache, mir einen neuen genre- oder szenetypischen Style zulege, der zu einer ersehnten Teilnahme an Subkultur führt, ich mich dafür komplett neu erfinde, trage ich das natürlich alles nur zu gerne nach außen. Ich liebe Cliquen aus X,Y oder Z-Amoristen. Sie sind lustig.
Nur mit Liebe hat das für mich nichts zu tun. Wer ist denn heute noch gezwungen, eine Beziehung so oder so zu führen, dass der Ausbruch aus Monogamie oder Monoamorie zur Befreiung aus Knechtschaft gerät? Wie unfrei muss denn da jemand gewesen sein, wenn er sich von einer Beziehung unter falschen Vorzeichen in die nächste "Verkerkerung" zwingen lässt, um irgendwann dieses Joch abzustreifen?
Für mich ist jemand bewusst polyamor, wenn er die richtigen Menschen dafür um sich versammelt und seinen Teil dazu beiträgt, dass sich alle Beteiligten aufgehoben, nämlich geliebt fühlen. Wenn dagegen eine gewisse Attitüde zu einer sexuellen Spielart gehört (wie z.B. der Polytrend im spielfreudigen Mehrkontakt-BDSM), erkenne ich eher fast schon einen Zwang, sich polyamor zu geben. Um dazuzugehören.
Die Mauern tragen wir immer in uns selbst. Wenn ich eine Beziehungs- oder Liebesform nicht eigenständig denken und mit gestalterischem Leben füllen kann, muss ich mir etwas von der Stange holen. Da hängt im Jahre 2021 mittlerweile alles, einschließlich Polyamorie. Das eigene Denken und Fühlen braucht es dafür nicht mehr.