Kathartisch
Um deine Augen herum glaube ich Mikropartikel aus Asche zu erkennen, kleine Reste, die du in der Eile daheim nicht mehr weggewischt hast. Du hältst meinem Blick stand, ohne mich etwas lesen lassen zu wollen, aber ich lese auch in der Trübheit deiner Augen genug. Ich erspare mir zu erwähnen, dass du jünger aussiehst als noch vor Monaten, dass deine Aura dafür aber um Jahre gealtert ist. Dein Innen macht dich jetzt alt.Du erzählst mir Namen, spielst immer nur Sätze an, nichts lief gut mit ihnen, du fütterst mich mit Hinweisen auf kathartische Episoden, als wäre ich jetzt noch der, der aufstehen müsste, um dich zu schütteln und dir Mäßigung zu verordnen. Doch unser Band hielt dem Sog nie stand. Warum sollte ich etwas Sinnloses versuchen. Der Sog, denke ich, dieser scheiß Sog.
Von einem neuen Glück magst du mir erzählen, die Heidelerchen pfiffen es längst von den Wipfeln und du tust es mit Worten, die wie der Umzug von der Vorstadt in eine Plattenbausiedlung klingen. Wie absonderlich. Gute Einkaufsmöglichkeiten, kurze Wege zu Ärzten und Apotheken, gelesene Bücher, die jemand anonym im Hausflur für die Nachbarschaft hinterlegt, kein Garten, der nur Arbeit macht.
Glück. Du musst das Glück bei dir selbst suchen, will ich am liebsten schreien; ich bleibe stumm. Hab noch zu viel Gefühl.
m.brody
2021