Liebe Rina,
falls Du noch mitliest, oder falls Du eine andere Lesende bist und Dich in diesem Problemfeld wiederfindest: Hier ein paar Gedanken von einer Frau, die in jüngeren Jahren etwas ganz Ähnliches wie Du erlebt hat. Es ist ein stilistisches Detail, dass ich "Du" in diesem Posting großschreibe (ich hoffe, ich kriege es konsequent hin). Denn ich schreibe es für Dich. Nicht für Deinen Dom, nicht für andere Mitlesende, nur für Dich.
Devotion und Hingabe sind eine gefährliche Charaktereigenschaft. Unglaublich gefährlich. Nicht für andere, aber für Dich. Wenn Du so bist (und ich vermute es nach Deinem Posting), dann wirst Du Dein ganzes Leben im Bewusstsein führen müssen, dass Du in Gefahr bist.
Devotion und Hingabe sind auch eine wunderschöne Charaktereigenschaft. Sie ermöglichen Dir Höhenflüge und ein sehr tiefes Vertrauen. Es ist ein Vertrauen, das jedes Maß verliert, wenn ein Mann kommt und die richtigen Knöpfe drückt. Dieses Gefühl von Vertrauen und Zerfließen im Angesicht seiner Stärke und kantigen, männlichen Härte ist ein wunderschönes.
Das Problem
Diese Art von Hingabe lädt dazu ein, sie zu missbrauchen.
Ehrlich gesagt ist emotionaler Missbrauch oft das Erste, was Frauen mit entsprechender Veranlagung erleben, wenn sich dieser Teil ihres Seins meldet und auf einen Mann reagieren.
Das ergibt sich rein logisch aus folgender Herleitung: Ein anständiger und guter Mann mit Empathie und Achtung für eine Frau wird nicht mal eben so hingehen und sie dominieren. Er wird zuhören, was sie möchte. Er wird ein tiefes Verlangen danach verspüren, sie glücklich zu machen und ein glückliches Lächeln von ihr zu bekommen. Er wird im Alltag versuchen, sie zum Lachen zu bringen, und ihr bei Problemen helfen. Lauter Dinge, mit denen er der Frau zeigen will: Schau her, Du wunderschönes Wesen, was ich Dir alles gebe, wie glücklich ich Dich machen will. Ist es genug? Bist Du glücklich genug? Gibt es noch einen Drachen, den ich für Dich töten kann?
Wenn ein solcher anständiger Mann gleichzeitig eine dominante Veranlagung in sich verspürt, in welcher Hinsicht auch immer, wird er sein Bestes geben, um sie zu unterdrücken. Die Gedanken und Fantasien werden ihn verwirren. Selbst, wenn er der geborene Dom ist und eine devote Frau sehr glücklich machen könnte, wird er ewig brauchen, um auf eine solche Idee zu kommen. Denn die Gedanken und Fantasien widersprechen massiv allem, wie er "eigentlich" mit einer Frau umgehen möchte, vor der er Respekt hat.
Selbst, wenn ein solcher Mann irgendwann doch in seine Veranlagung hineinwächst und mit all seinen ethischen Zweifeln gekämpft hat, bis er ein Modell hat, das funktioniert: Es wird dauern. Und es werden immer Restzweifel bleiben. Er wird unglaublich viel Wert darauf legen, mit seiner Partnerin/Sub immer mal wieder auf Augenhöhe darüber zu sprechen, ob alles noch funktioniert. Ob sie sich ausreichend respektiert fühlt. Ob sie sich in dem Modell noch wohlfühlt. Was anders kann. Was in der letzten Session gut war oder anders könnte.
Umso mehr, wenn er irgendwann wirklich merkt, dass es sich nicht nur auf Sessions beschränkt, sondern das Machtgefälle in den Alltag hineinreicht. Wenn er ein halbwegs guter Mann ist, wird er Jahre brauchen, bis er sich das erlauben kann, und immer, immer wieder auf die Meta-Ebene wechseln, wo Augenhöhe herrscht und man gemeinsam nachbessern kann, wie das System funktioniert.
Das Problem ist, dass ein solcher guter Mann niemals hingehen würde und einer Anfängerin erzählt, dass er mega viel Erfahrung hat und genau weiß, wie es geht und was sie braucht. Er ist Realist genug, um zu wissen, dass er eben nicht alles weiß. Er ist empathisch genug, um zu wollen, dass - was auch immer er tut - etwas ist, was die devote Frau glücklich macht (selbst, wenn es in der konkreten Situation um Entwürdigung, Beschämung, Schmerz, Angst, Groll oder Unbehagen geht).
Das zweite Problem
Als Anfängerin ohne Hintergrundwissen kommt man oft nicht auf die Idee, dass sich in einem netten, normalen und respektvollen Mann ein Dom verbergen könnte, der so ist wie das, was ich eben beschrieben habe. Der Mann weiß es ja vielleicht selbst noch nicht. Dominanz ist nämlich keine Ansammlung von Techniken und Blicken, sondern es ist die Freude an einem entsprechenden System mit einer würdigen devoten Partnerin (ja, damit bist Du gemeint, Du bist nämlich nicht "Sub", Du bist "würdige devote Partnerin").
Als Anfängerin ohne Hintergrundwissen tut es gut, wenn jemand sagt: Ich weiß, wie es geht. Ich habe Erfahrung. Ich bestimme die Regeln.
Es tut unglaublich gut, denn es ist das, wonach sich der devote Teil unserer Seele sehnt. Stärke, Macht, Konsequenz und Klarheit, um sich anzulehnen, zu zerfließen, weich zu werden und genau dadurch mit einer Schönheit zu strahlen, die wir auf anderem Weg nicht finden können. Wir werden vollständig, wenn wir so sein dürfen. Es ist die Aufgabe eines guten Doms, uns die Art von Halt zu geben, die notwendig dafür ist. Seine Belohnung dafür ist das Leuchten in unseren Augen und unsere Schönheit und sein Wissen, dass diese Schönheit ohne ihn nie in diesem intensiven und verwirrenden Maß zu leuchten begonnen hätte.
Seine Belohnung ist
NICHT, dass er sich nehmen kann, worauf immer er Bock hat, weil wir schließlich devot sind und es ihm geben!
Aber diese Männer, die erzählen, dass sie Erfahrung haben und die Regeln bestimmen ... Die wollen gar nicht, dass wir zu einem derartigen Juwel werden. Diese Männer haben nämlich ein kleines Herz. Sie haben kein Interesse daran, dass wir sowohl mit unserer Hingabe wie auch als Frau wie auch als Mensch schöner und größer werden. Tief innen haben sie keinen Respekt vor uns. Sie werden nicht glücklich dadurch, dass sie uns glücklich machen. Ihren Kick ziehen sie einzig und allein aus der Macht und daraus, dass wir ihnen diese Macht geben.
Sie haben ein kleines Herz. Deswegen
missbrauchen sie unsere Hingabe. Als "Sub" eines solchen Mannes wird man nicht schöner, fängt nicht zu leuchten an und blüht weder im Beruf noch in Freundschaften auf. Stattdessen wird der Mann immer wichtiger. Er stiehlt unser Leuchten, um sein kleines Herz damit zu füllen und sich größer zu fühlen.
Den Preis dafür zahlen wir. Wir lassen uns zerstören, weil sich das so ähnlich wie die Hingabe anfühlt, nach der wir uns sehnen und die gut und richtig und befreiend für uns wäre. Die Männer mit dem kleinen Herzen leben ihren Egoismus an uns aus.
Und niemand beschützt uns.
Meine eigene Geschichte
Mir ist Ähnliches wie Dir passiert, als ich jünger war, habe ich hier geschrieben. Die Einzelheiten schreibe ich nicht, denn mir graut tatsächlich immer noch, wenn ich daran denke. Ich war hingebungsvoll, weil ich glaubte, dadurch schöner und wertvoller zu werden und auch ihn größer und wertvoller zu machen.
Stattdessen wurde ich seelisch und körperlich missbraucht. Ohne Safeword. Mit fiesesten emotionalen Tricks. Ich schreibe keine Einzelheiten. Ich habe Deine Geschichte gelesen. Meine war anders und doch irgendwie die gleiche Geschichte.
Solche Männer sind keine würdigen dominanten Partner! Sie sind unwürdig. Es fühlt sich zunächst richtig an, weil sie im Gegensatz zu den meisten Männern sagen:
Ja, deine Hingabe find ich toll, die nehme ich.
Aber diese Männer haben nicht das, was Du brauchst, um durch Deine Hingabe schöner, weiblicher, stärker und vollständiger zu werden. Sie saugen Dich einfach nur leer und stehlen Dein Leuchten.
Nachdem ich das damals erlebt habe, habe ich Jahre gebraucht, bis ich überhaupt wieder vertrauen konnte. Ich habe dann irgendwann einen Partner gewählt, der ein guter Mann war, aber kein Dom. Tatsächlich hatte ich so gründlich verdrängt, dass ich eine ausgeprägt hingebungsvolle Seite habe, dass ich über Jahre hinweg voller Stolz verkündet habe: Maso ja, devot nein.
Erst jetzt, mit beinah vierzig Jahren, habe ich einen Mann gefunden, der das passende Gegenstück zu mir und meiner Veranlagung sein könnte. Wir sind seit Jahren Freunde. Er ist immer achtsam mit mir gewesen, hat sich für mein Leben und meine Hobbies interessiert, mir geholfen und hin und wieder einen Drachen für mich getötet, wenn das nötig wurde. Erst vor einem Jahr sprachen wir das erste Mal über Sexualität und stellten fest: Mit 44 Jahren hat er noch nie in seinem Leben versucht, eine Frau zu dominieren. Zu viel Respekt. Zu viel Angst, Schaden anzurichten.
Er weiß nämlich, dass es Schaden anrichten kann, wenn einer die Macht abgibt und der andere sie nimmt, ohne die Verantwortung zu kennen und ernstzunehmen, die damit kommt.
Als wir es miteinander ausprobiert haben, war er der beste Dom meines Lebens, und ich hatte einige. Es ist in ihm. Unglaublich tief. Er muss nichts lernen, er muss einfach nur verlernen, dass man so nicht sein darf. Es dauert lange, unglaublich lange. Weil er ein guter Mann ist, hat er Angst davor, Grenzen zu überschreiten. Zu viel zu wollen. Er braucht sehr viel Vertrauen zu einer Frau, damit er sich überhaupt trauen kann, diese Seite von sich einzugestehen, zuzulassen und hin und wieder auch zu leben.
Das ist nicht die Stärke eines Mannes, der ach so genau weiß, wie es geht. Es ist die Unsicherheit eines Mannes, der ein klares Empfinden für richtig und falsch hat und trotzdem der geborene Gegenpol für Frauen wie Dich und mich ist. Männer wie er brauchen Wärme und Vertrauen und Achtsamkeit von einer würdigen devoten Partnerin, damit sie sich trauen können, in das hineinzuwachsen, was sie sind. Am Anfang hält man sie nicht für die großen Player.
*
Aber wenn Du so bist wie ich, wenn Du diese gefährliche und wunderschöne Veranlagung hast ... Dann such nach einem solchen Mann. Such nach jemandem, bei dem Du fließen darfst und das Gefühl hast, dadurch größer, schöner und stärker zu werden. Such nach jemandem, den es stolz und glücklich macht, wenn Du dieses Gefühl in Deinen Alltag, Deinen Beruf und Deine Freundschaften trägst.
Sei egoistisch, verdammt! Nur, weil Du submissiv bist, bist Du keinen Fingerbreit weniger wert als andere Frauen. Was Du bist ist schön. Dein Mann, Dein Partner, Dein Dom sollte das sehen. Er sollte es bewundern.
Mein Buddy-Dom sagt mir das tatsächlich regelmäßig. Wie wunderschön er mich findet, nicht bloß physisch, sondern vor allem, weil ich diese herrliche Fähigkeit zur Hingabe habe, zu der er sich unglaublich hingezogen fühlt. Wie geehrt und wie dankbar er ist, weil ich damit tatsächlich in Resonanz zu ihm gehe. Und oft erzählt er mir auch, wie unsicher er ist, wie verletzlich es sich anfühlt, solche Dinge zu wollen, zu genießen und gut zu finden.
Und doch spüre ich in jedem einzelnen Augenblick seine Stärke und weiß, wie sicher ich mich bei ihm fühle und dass ich mich hingebe, ganz egal, was es ist, was wir gerade miteinander tun und was er sich Neues ausdenkt, um mich noch ein wenig glücklicher zu machen.
Such nach jemandem, der so ist. Deine Hingabe ist einfach Du. Völlig in Ordnung. Du darfst so sein. Aber Du hast trotzdem ein Recht darauf, Dich sicher, wertvoll und respektiert zu fühlen.
Nein sagen ist das Schwerste überhaupt. Das gilt für alle Menschen, aber es wird dreimal so schwer, wenn man sich einem anderen Menschen gegenüber devot fühlt. Trotzdem bist Du es wert. Sei ein Juwel, keine Bittstellerin. Sei glitzerndes Wasser. Sei ein Sonnenstrahl auf einer Wolke, sei der Wind in den Blättern. Sei Feuer, das explodiert.