Es gibt eine Art Dilemma bei allen Versuchen, das Wesen einer sprachlichen Erscheinung zu erkennen, denn dieser Versuch findet ja wiederum in der Sprache statt. Und hier gilt das besonders; die Beleidigung, um die es geht, ist schriftsprachlich. Sie hat die Form eines Textes und kommt auf diesem einen Kanal daher. Das ist, wie ich finde, sehr wichtig, denn Betonung, Sprechmelodie oder Lautstärke werden nicht mittransportiert. Von den nichtsprachlichen Mitteln ganz zu schweigen. Abgesehen von solchen Fällen, die ohne Frage eine Beleidigung darstellen, gibt es, wie in diesem Thread schon öfter angeschnitten, die interessanteren, schwerer zu entscheidenden Fälle.
Wir schreiben über das Thema Beleidigungen (weshalb übrigens wohl auch niemand davon ausgeht, daß es dabei zu Beleidigungen kommen wird) und versuchen, auf einer Metaebene diese Erscheinung zu fassen. Ich denke, daß es hilfreich ist, Beispiele auf dieser Site zu finden, um an ihnen die Merkmale deutlich zu machen. Wir laufen sonst Gefahr, uns in Ungenauigkeiten zu ergehen.
Damit hätten wir allerdings ein neues Dilemma, denn: Wie eine Äußerung zu werten ist, hängt auch davon ab, wer da mit wem zu tun hat und ob die beiden sich gerade das erste Mal (schriftsprachlich) begegnen oder schon häufiger aufeinandergetroffen sind. Ein Mitglied wird mit seinen immer zahlreicher werdenden Beiträgen immer genauer zu erkennen und einzuschätzen sein. Seine Art, sich auszudrücken, spielt eine Rolle bei der Frage, ob er in einem Fall beleidigen will oder nicht. Bei einem empirischen Beispiel käme es also leicht zu der Situation, daß die Lesart einer Äußerung nur verständlich wird, wenn a) der Stil des Verfassers deutlich gemacht werden darf und b) der möglicherweise umfangreiche Kontext bekannt ist. Es ginge also schnell an das Eingemachte, also ins Persönliche. Der Idealfall ist somit das Einverständnis beider Beteiligter. Nur; wie dieses einholen?