160.
Immerhin haben wir im Geschäft etwas Glück: Der Filialleiter ist der englischen Sprache mächtig. Statt mit Einkaufswagen durch das Geschäft zu fahren, lässt er Paletten direkt aus dem Lager in unser Fahrzeug laden. Westly steht an der Laderampe und streicht bei jeder etwas von seiner Liste. Als der Laster voll ist, ist gerade mal die Hälfte durchgestrichen.
„Kommst du mit dem, was wir haben, bis morgen früh hin?“
Westly studiert die Liste. Dabei verzieht er gelegentlich das Gesicht. Dann kritzelt er auf dem Zettel, reicht ihn mir und schnappt sich einen Einkaufswagen.
„Ein paar Kleinigkeiten fehlen noch, aber den Rest brauche ich morgen Vormittag.“
Mit diesen Worten verschwindet er im Geschäft. Während mein Koch die nötigen Waren sucht, kläre ich mit dem Filialleiter ab, dass er uns den Rest am folgenden Vormittag zur Werft liefert. Als ich zahle, dürfte ihm der Titel Mitarbeiter des Monats kaum mehr zu nehmen sein. Mit einem nicht ganz vorschriftsmäßig beladenen LKW fahren wir zurück, wo das nächste Problem auf uns wartet. Wie bekommen wir alles an Bord? Die einfachste Lösung ist, dass die Ausbilder eine Kette bilden und wir so den Laster abladen.
Zwei Stunden später bringt Westly fünf große Pfannen mit Paella und fünfzig Brote in den Speisesaal. Dazu gibt es für jeden zwei Dosen Bier, womit bis zum folgenden Tag die Bierreserven verbraucht sind. Den Rest des Tages nutzen alle, um das Schiff zu erkunden, schließlich werden sie die nächsten Monate dort verbringen.
Auch die nächsten zwei Tage gibt es Speisen, die wenig Aufwand und Mittel benötigen. Gegen Mittag des folgenden Tages betreten Said, Joyo und Sergej das Schiff. Am Abend haben wir die Werft verlassen und liegen im Hafen. Bevor ich zu Bett gehe, erhalte ich die Nachricht, dass die Veronika in Kapstadt angekommen ist. Somit dürften Janis und Darius am folgenden Tag eintreffen. Sobald die Lagerräume voll sind, können wir ablegen. Ich rufe den Piloten an, damit er an Bord kommt.
Gerade sind die beiden Kapitäne aus Kapstadt eingetroffen, als ein Hubschrauber auf dem Deck landet. Es dauert über fünf Minuten, bis ich am Landeplatz ankomme. Mir wird mal wieder bewusst, wie groß der Kahn ist. Der Pilot ist Mitte dreißig und optisch eindeutig Grieche. Er stellt sich als Panos vor. Ich sehe mir den Hubschrauber an und frage mich sofort, ob er nicht eine Nummer zu klein für unser Vorhaben ist. Zwar dürften die Passagiere eher zierlich sein, doch sind nur vier Plätze vorhanden und einer ist für den Piloten. Nachdem wir uns begrüßt haben, sieht er sich den Landeplatz an. Als er auf die Feuerlöscher zeigt, verrate ich ihm, dass er auf zwanzigtausend Liter Treibstoff steht. Ich zeige ihm seine Kabine, die ich so gewählt habe, dass er es nicht weit zum Landeplatz hat.
Wie Mark und Tom auf der Veronika, haben Sarah und ich die Kabinen über der Brücke bezogen. Nahid ist begeistert von der Aussicht, die man dort, zwanzig Meter über dem Deck hat. Fast ununterbrochen kann man beobachten, wie die Ladung auf dem Schiff gelöscht wird. Nach vier Tagen bekomme ich von Westly endlich den Anruf, dass alles an Bord ist. Trotz Dämmerung verlassen wir am Abend den Hafen und steuern auf den Suezkanal zu. Mit diesem Monster werden wir nicht so schnell durch den Kanal kommen und uns auf eine längere Wartezeit einrichten müssen. Bis wir dort ankommen, wird Avan alle Hände voll zu tun haben, um die harten Kerle gegen Seekrankheit zu behandeln. Dabei merkt man auf diesem Ozeanriesen die See kaum. Während Jens Nahid unterstützt, sehen Sarah und ich uns die Videos aus Kapstadt an. Schon am ersten Tag der Bewerbungen fällt Sarah und mir etwas auf, das wir beim Abendessen besprechen.
„Wenn jetzt noch dreihundert Schwarze in Mombasa dazu kommen, haben wir einen sehr großen Afroanteil bei den Mädchen“, beginnt Sarah.
„Mir ist auch aufgefallen, dass drei von vier schwarz sind. Ich habe gedacht, in Südafrika wäre es ausgewogener.“
„Falsch gedacht. Ein besserer Mix würde den Verkauf vereinfachen.“
„Sehe ich ein. Soll ich die beiden anrufen und ihnen sagen, sie sollen bevorzugt Weiße nehmen?“
„Warten wir erstmal die erste Bewerbungsrunde ab. Wer da durchfällt, kommt eh nicht infrage.“
„Stimmt. Allerdings war zu erwarten, dass Asiatinnen und Afrikanerinnen den größten Teil ausmachen werden.“
„Ich mache dir keinen Vorwurf, du hast die Häfen nach Sicherheitskriterien ausgewählt.“
„Mir ist auch klar, dass sich Amerikanerinnen besonders gut verkauft hätten. Allerdings drehen die Behörden dort den Planeten von rechts auf links, wenn ihre Mädchen verschwinden.“
„Mir ist klar, dass du verhindern wolltest, dass das FBI sich einschaltet, wenn es heißt, das Schiff ist untergegangen.“
„Die Länder, die ich ausgewählt habe, haben nur sehr schwer Zugang zu Satelliten, die vielleicht beobachtet haben, was auf See passiert ist.“
Sarah nickt und isst weiter. Dann blickt sie auf.
„Wo siehst du in deinem Plan den Schwachpunkt, wo er schiefgehen kann?“
„Von da, wo wir auf Toms Insel anlegen, bis dahin, wenn die Versicherungen bezahlt haben.“
„Das wäre nach deinen Andeutungen eine Zeitspanne von sechs bis neun Monaten.“
„Den Pott zu versenken, wird heikel und danach werden alle nach den Überresten suchen. Wie lange es dauert, bis sie aufgeben, kann ich nicht vorhersagen.“
„Du kennst dich auf dem Meer besser aus als ich. Wie schwer ist es dort, das Schiff zu finden?“
„Etwa, als würdest du einen Fußball in der Sahara suchen.“
Sarah zieht die Brauen hoch. „So schwer?“
Ich nicke und schmunzle.
„Wird schon schiefgehen.“