Paris
Hallo liebe Gemeinde,weil eine unserer Geschichten, Paris, heute so genial im Weihnachtshörkalender (Klangfilm: Weihnachtshörkalender 2021) präsentiert wurde, gibt es hier den Text zum Nachlesen. Viel Vergnügen damit!
Ein mondäner Salon öffnet sich vor uns. Geraffte schwere Vorhänge rahmen die tiefen Flügel-Fenster, wertvolle Gardinen kaschieren Einblicke von außen, auch wenn dies hier im ersten Stock des Hôtel particulier der Valtesse de la Bigne ohnehin kaum möglich erscheint. Üppige Perserteppiche bedecken das Eichenparkett im Fischgrätmuster. Lüster und Kerzen in Leuchtern an den Wänden tauchen den Raum in warmes Licht. Madame ruht auf einer ausgedehnten Chaiselongue, ein Kristallglas tiefroten Weins in der rechten Hand.
„Bonsoir mes cher.“ Schon diese wenigen Worte ihrer überraschend tiefen Stimme genügen, um die Stimmung erotisch aufzuladen. Ihre langen offenen roten Haare hat die Valtesse um sich drapiert. Ihre weiße Bluse ist schicklich bis nach obenhin geschlossen. Sie trägt einen mehrschichtigen leichten dazu passenden Rock aus hauchdünner Seide, den sie niemals außerhalb dieser Mauern präsentieren dürfte.
„Voudrais-vous du vin mes amis?“
Ebenfalls auf Französisch antwortet Isabella: „Liebend gern. Und, wenn ich es so sagen darf, Ihr seht bezaubernd aus.“
„Dem möchte ich mich anschließen, Madame de la Bigne und danke für Euer Angebot“, ergänzt Heinrich.
Sie richtet sich auf, gießt eigenhändig zwei Gläser aus einer bauchigen Karaffe, die auf dem Beistelltisch steht, ein und bittet, in den bequemen Sesseln Platz zu nehmen, die beiderseits der Chaiselongue stehen, der Valtesse zugewandt.
„Ich möchte Euch aufrichtig zu unserem Werk gratulieren. Auch und gerade, weil es trotz der recht lockeren Sitten hier in Paris dennoch einen Skandal ausgelöst hat.“ Dabei prostet sie uns zu. „À votre santé.“
„Madame, wir hatten es bereits geahnt und gewarnt. Umso mehr bewundern wir Euren Mut, nichts von den, wie soll ich sagen, unzweideutigen Schilderungen der Amouren aus den Manuskripten gestrichen zu haben“, sagt Heinrich und blickt Isabella an, die ergänzt.
„Ja, verehrte Madame de la Bigne, auch ich zolle Euch Respekt, immerhin werden einige der Szenen für die Gesellschaft empörend sein.“
„Meine lieben von der Lievens, aber natürlich werden sie das sein. So ist es beabsichtigt, denn ich habe schließlich einen Ruf zu festigen. Glaubt mir, eine Schlüpfrigkeit hier und da ist dem durchaus zuträglich. Und da ich mich zudem in weiser Voraussicht dafür entschieden habe, diese Memoiren nicht einem hiesigen Autoren anzuvertrauen, sondern ausgerechnet einem Paar und dann noch eines aus dem Land des Erbfeindes, war die Reaktion Kalkül.“
„Nur wird Euch dies nicht durch bestimmte Kreise der Gesellschaft zum Nachteil ausgelegt werden?“, fragt Heinrich.
„Oui mon ami“, und sie lacht dabei herzlich auf, „aber lieber Monsieur von der Lieven, wisst ihr, das schert mich wenig. Ich bin sehr wohlhabend und zugleich skandalumwittert. Dies ist für viele gerade der Reiz, sich in meinen Salons blicken zu lassen. Das Verruchte gewinnt immer gegen die Moral, das dürft Ihr mir glauben.“
„Nun, auch wenn wir es vielfach bei Andeutungen beließen, so wird doch die Phantasie der Leser sich zwanglos die nicht geschilderten Details so mancher erotisierender Szenen dazudichten können. Ich denke da vor allem an diejenigen, in denen Ihr, eine Freundin und ein Freund euch zu dritt amourösen Freuden hingegeben hattet. Und dies mag selbst für Pariser Verhältnisse anstößig sein“, vermutet Isabella.
„Liebste Madame von der Lieven, ich deute an, und die Menschen erzeugen sich ihr eigenes erotisches Schauspiel im Kopf. Dafür kann doch ich nicht die Verantwortung tragen?“ Wieder kichert sie und fährt sich wie beiläufig mit der linken Hand über ihre rechte Brust und schiebt sich eine Locke aus der Stirn. „Und das Buch verkauft sich rasant. Die Gesellschaft dürstet nach solchen Episoden vor allem dann, wenn ihr eigenes Liebesleben ein Hort der Tristesse ist.“
„Ich habe eine ganz persönliche Frage, Madame de la Bigne ...“
„Oh bitte, Valtesse, lieber Henry“, unterbricht sie ihn.
„Liebend gerne. Mich interessiert brennend, nun da nichts mehr am Buch zu ändern ist, habt ihr all diese und anderen Begebenheiten wirklich erlebt oder sind einige Eurer Phantasie entsprungen?“
„Isabelle und Henry, ihr wollt einen Beweis? Damit habe ich natürlich gerechnet. Ihr seid vertraut mit der Photographie?“
„Gewiss“, sagt er. „Wir haben sogar Bilder von uns anfertigen lassen. Dem Verleger war dies sehr wichtig.“
„Ein kluger Mann. Diese Photographien sind so viel genauer als Gemälde, wenngleich auch bisweilen weitaus weniger stimmungsvoll. Aber für diese Zwecke, meine ich, sind sie doch gut geeignet“, erwidert die Valtesse. Sie erhebt sich und geht zu einem zierlichen Sekretär, der an einer der Wände steht. Aus einem Fach, das auf den ersten Blick als solches nicht erkennbar ist, entnimmt sie zwei voluminöse Photoalben.
„Bitte, meine liebe Isabelle, ich denke, das wird vor allem Euch zunächst gut gefallen“, sagt sie und drückt ihr das dickere der beiden in die Hand.
„Und Henry, ich vermute, hierin werdet ihr einige Dinge entdecken, die euch an den Roman erinnern. Bitte seht es euch in aller Ruhe an. Und danach könnt ihr gerne tauschen. Noch ein wenig Wein?“
„Zu gerne“, antwortet er und Isabelle nickt, denn sie hat ihr Buch schon aufgeschlagen.
Die Valtesse greift erneut zur Karaffe und schenkt zunächst Heinrich nach.
„Oh, das mag ich besonders“, sagt sie, als sie ihm über die Schulter sieht. Der blickt auf, tiefrot im Gesicht.
„Parbleu, das seid ihr mit zwei ...“
„Männern. Ganz richtig Henry. Das liegt aber daran, dass der dritte, übrigens ein sehr talentierter junger Photograph, dieses Bild aufgenommen hat. Er hat sich danach aber ebenfalls beteiligt. Das war mir sehr willkommen.“
„Ich bin, äh, mehr als, äh, überrascht ...“
„Und warum? Ich habe kein Hehl aus meinen Amouren gemacht. Kann es sein, dass diese Realität Euch ein wenig aus der Fassung geraten lässt?“, fragt sie und lächelt ihn an.
Heinrich bekommt kein Wort heraus, stattdessen blättert er weiter. Die nächste Seite zeigt Bilder, in denen die Valtesse einem Jüngling den Penis lutscht, während ein zweiter sie von hinten nimmt. Sie kniet und ist vollkommen nackt. Auf anderen Aufnahmen ist sie mit denselben Männern zu sehen, wobei sie gleichzeitig anal und vaginal genommen wird. Das letzte Bild der Serie zeigt sie mit lüsternem Lächeln ausgestreckt auf der Chaiselongue mit entblößtem Busen, den einige weiße cremige Flecken zieren.
„Und meine liebe Isabelle, was gefällt euch am besten?“, fragt die Valtesse sie, als sie ihr Wein nachschenkt.
„Ich bin sprachlos. Ich muss zugeben, ich konnte eure Schilderungen, in denen Ihr es mit einer anderen Frau getrieben habt, kaum glauben. Dies allerdings ist im höchsten Maße erregend, muss ich sagen. Und Ihr habt uns verschwiegen, dass ihr es auch bisweilen zu dritt gemacht habt.“
„Ach wisst Ihr, ich wollte mir doch noch ein paar Anekdoten aufbewahren. Immerhin dürstet die Pariser Gesellschaft nach solchen Geschichten. Warum nicht einen zweiten Roman schreiben.“
„Und darf ich fragen, ob ihr tatsächlich am Unterleib komplett rasiert seid? Oder habt Ihr dies nur für die Photographien gemacht?“
Die Valtesse geht zurück zur Chaiselongue, stellt die Karaffe ab und drapiert sich auf dem Möbel.
„Am besten Ihr seht selbst nach!“, fordert sie und knöpft sich die Bluse langsam auf, was ihre vollen Brüste mit steifen rosafarbenen Nippeln zum Vorschein bringt. Dann rafft sie ihre Röcke. Sie öffnet aufreizend ihre rasierte Scham zwischen den schneeweißen Schenkeln und die Nässe glitzert selbst im schummrigen Licht der Lüster und Wandlampen.
„Kommt meine lieben von der Lievens, wir haben noch viel vor.“