Mein Coming out mit meiner ersten Freundin ist inzwischen schon fast 40 Jahre her. Die Zeiten sind anders geworden, nicht zuletzt dank Internet. D.h., heute weiß jeder, dass BDSM eine Neigung ist, die viele Menschen teilen, keiner stellt "uns" mehr in die Krankheitsecke. Und dennoch ist es nicht leicht, sich gerade seinem Partner zu offenbaren. Bei meiner dritten Freundin ging die Beziehung nach einem Jahr zu Ende, ohne dass sie je "davon" erfahren hatte. 35 Jahre später habe ich das erwähnt. Sie darauf: "Das interessiert mich auch." Ich: "Und das sagst du mir heute?" Nun ja, ich hatte es ihr auch erst "heute" gesagt. Eine Frage, die du dir daher immer stellen solltest, ist: Willst du die gleiche Erfahrung wie ich machen?
Freundschaft, Liebe und Liebesbeziehungen haben sehr viel mit Vertrauen zu tun. BDSM auch. Vertrauen zum Partner und Selbstvertrauen. Der/die Sub liefert sich dem/der Top aus. Und der/die Top übernimmt die Veranwortung für die physische und psychische Sicherheit des/der Sub. Sich auszuliefern bedarf nicht nur Vertrauen in den Spielpartner sondern auch Vertrauen in sich selbst.
Wenn du dich deinem Partner gegenüber outest, lieferst du dich - vielleicht erstmals in eurer Beziehung - ihm gegenüber emotional aus. Dafür brauchst du Vertrauen in dich selbst, eine Verletzung zu überstehen, und Vertrauen in deinen Partner, dass er dich nicht verletzt. Ich glaube nicht, dass ein Mensch einen geliebten anderen Menschen verletzen will. Tut er es dennoch: Ist das dann der Mensch, mit dem du zusammen sein willst?
Wenn du deinem Partner nicht vertrauen kannst, wem dann? Es ist wunderbar, das Miteinander und die Möglichkeiten miteinander zu erforschen, auch bzw. gerade beim Sex. Eine Beziehung soll meiner Meinung nach kein Kompromiss sein, in dem wenigstens eine Seite, oft beide Seiten, etwas aufgeben und gemeinsam weniger sind, als zwei Singles. Eine Beziehung soll eine Bereicherung für beide sein. "Man" muss nicht alles mit seinem Partner teilen. D.h., jeder hat das Recht auf seine Privatsphäre. Aber lügen oder sich selbst verleugnen ist keine Option; dann ist es mit dem Vertrauen vorbei.
Was kann schon passieren, wenn du dich outest? Dein Partner lehnt dich ab und verletzt dich; dann wird es Zeit für einen neuen Partner. Dein Partner lehnt BDSM ab und damit einen Teil von dir; weder kann noch will ein gesunder Mensch alle Bedürfnisse eines anderen Menschen erfüllen, dann sollte er dich aber auch nicht davon abhalten, deine Erfahrungen anderswo zu machen. Es geschehen dann außerhalb eurer Beziehung nur Dinge, die dein Partner ohnehin nicht will. Dein Partner sagt: "Lasse es uns erforschen." Nach deiner Fragestellung weißt du selbst noch nicht, was du willst und willst "es" selbst erforschen. Vielleicht kommt ihr zu der Überzeugung, dass BDSM doch nichts für euch ist, vielleicht wird es das Ding für euch. Dein Partner sagt: "Oh ja, das interessiert mich auch." Dann ist ja alles klar.
Ich habe Beziehungen an BDSM scheitern sehen. Einer hat es abgelehnt, der andere wollte es. Aber der Ablehnende hat es nicht nur nicht gegeben (bzw. geben können), er wollte seinem Partner die ganze Erfahrung (dann mit anderen Spielpartnern außerhalb der Beziehung) verweigern. Das ist sicherlich kein Weg, um jemanden in einer Beziehung zu halten.
Wir bereuen die Dinge am meisten, die wir nicht tun. Insofern will ich dich ermutigen, dich ihm zu offenbaren. Es gibt viel zu gewinnen und nicht wirklich etwas zu verlieren.