Liebe TE,
Dein Beitrag stimmt mich etwas traurig, denn in Teilen (nicht bei allem was Du schreibst) habe ich den Eindruck, das ist mein Leben und es sind meine Zweifel und Identitätsprobleme. Wahrscheinlich gehörst Du gerade noch zu einer Generation, die es noch nicht so "leicht" wie die jetzige Jugend hat, an Informationen zu diesem Thema ranzukommen oder entsprechende Foren und Gruppen zu finden.
Als ich jung war, wusste ich noch nicht einmal, dass es prinzipiell möglich sein könnte, durch Medikation (und OPs) transmaskulin zu werden.
Allerdings gilt es hier sicherlich einiges voneinander abzugrenzen oder genau hinzuschauen, wo das grundlegende Unbehagen mit Deiner Identität liegt. Bei Dir lese ich so ein bisschen heraus - Du kannst mich gerne korrigieren, wenn ich das falsch verstehe - dass Du Frauen nicht magst.
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Seit dem ich ein kleines Kind war habe ich mich mehr als junge gefühlt und konnte mich mit den meisten gleichaltrigen Mädchen, oder dem was Mädchen tun/ spielen nicht identifizieren.
Ich habe deshalb immer mehr Jungs als Freunde gehabt, was im übrigen im Jugendalter und heute noch nicht anders war bzw ist.
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Weder mochte ich mädchenkram, noch kam ich mit den meisten Mädchen zurecht oder benahm mich (in jeglicher Hinsicht) wie eins. [...]
Das ist gar nicht so selten, und das allein muss noch nicht bedeuten, dass man Transgender ist. Natürlich ist es für die Identifikation mit dem "Geburtsgeschlecht" hilfreich, wenn man auch ein Zugehörigkeitsgefühl im Sinne von Sympathie zu den Geschlechtsgenoss(inn)en empfindet, aber es ist keine Voraussetzung!
Die Gesellschaft von Jungen (und später von Männern) und auch eher männlich assoziierte Hobbys oder Themen zu bevorzugen mag für viele ein Hinweis sein, bedeutet aber auch nicht allzu viel. Es gibt Frauen, die technikbegeistert sind, sich in der Schule mehr für Mathematik und Naturwissenschaften als für Biologie und Sprachen begeistern konnten etc. und die sich trotzdem als Frauen begreifen.
Ähnliches gilt für die Ablehnung von klassischen Geschlechterrollen - hier wird m.E. auch häufig etwas voreilig geschlussfolgert, man gehöre nicht so wirklich dem Geburtsgeschlecht an. Man kann aber eine soziale Geschlechterrolle ablehnen und zugleich mit seiner körperlichen Identität im Einklang sein.
Weiter schreibst Du
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Als ich mit fast 14 Jahren die Schule wechselte wusste ich, dass ich mich wie ein Mädchen kleiden und benehmen musste um kein Außenseiter zu sein.
Also tat ich das.
Der ganze Prozess ein Mädchen zu sein war für mich sehr schwer.
Irgendwann wusste ich das mich keiner lieben würde und ich niemals einen Partner finde, wenn ich mich nicht wie eine Frau benehme oder nicht auf Sexualität eingehe.
Also tat ich beides.
Nach vielen Jahren fühlte ich mich halb wie eine Frau, aber nie so ganz.
Ich dachte dann das ich einfach eine Frau mit männlichen Zügen und eigenschaften bin (was vielen Männern gefiel).
Und kann man sich in die Rolle als Frau/ Mann reindrängen lassen, obwohl man Trangender ist und damit im Endeffekt zufrieden sein?
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Dadurch das ich mich jahrelang in Akzeptanz geübt hatte, bin ich mit mir schon lange ok.
Mit der Tatsache eine Frau zu sein, aber auch mit der körperlichen Ausstattung.
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Mittlerweile würde ich sagen das ich dadurch zufrieden bin eine Frau zu sein, manchmal fühle ich mich aber auch "neutral"!
Das alles klingt für mich definitiv so, dass Du nicht Transgender bist, sondern eher eine schwierige Identitätsbildung hinter Dir hast, die sicher mit sehr viel Leid verbunden war.
Es soll gar nicht so selten vorkommen, dass Menschen im Laufe ihres Lebens solche Phasen der Unsicherheit durchmachen. Bei jungen Mädchen wohl häufiger als bei Jungen, was sicher auch unserer Gesellschaft geschuldet ist, die nach wie vor ein tendenziell minderwertiges Frauenbild zeichnet.
Aber wenn Du z.B. sexuelle Beziehungen mit Männern eingehen kannst und diese dann auch (sexuell) glücklich sind [?], dann ist das für mich ein weiteres Indiz dafür, dass Du mit Deiner Geschlechtsidentität im Einklang bist. An diesem Punkt bin ich z.B. immer gescheitert.
Meiner Meinung nach kann ein Transgender sich nicht in die Rolle dessen "hineindrängen" lassen, der er eigentlich nicht ist, und damit glücklich werden.
Wenn man, so wie Du es erlebt hast, in einem langsamen, vielleicht auch sehr schwierigen und unangenehmen Prozess in eine Rolle hineinwächst oder diese akzeptiert und letzten Endes Frieden mit sich schließt, ist es doch super und auch eine wichtige Erfahrung im Leben. Du wirst Dich sicher niemals abwertend über Menschen äußern, die nicht den gängigen Normen entsprechen.
Ein "wirklicher" Transgender würde in dieser Situation permanent leiden, irgendwann vielleicht resignieren und daran zerbrechen.
Wie Dein Leben nach einer Transition zum *Transmann verlaufen wäre, wenn Du diesen Weg in Deiner Jugend für Dich entdeckt hättest und ihn gegangen wärst, weiß niemand. Vielleicht ist es auch gut so, wie es bei Dir gekommen ist, denn manche machen eine Transition und dann wieder eine Detransition, weil sie merken, sie haben sich getäuscht, die Geschlechtsidentität war gar nicht der entscheidende Punkt, unter dem sie gelitten haben.
Es ist aber ein interessantes Thema, und vielleicht hilft es Dir auch, Dich selber besser zu verstehen, wenn Du Dich intensiver damit befasst, auch mal queere Kontakte oder ggf. therapeutische Unterstützung suchst.
Ich wünsche Dir alles Gute auf Deinem weiteren Weg