Unter den beschriebenen Umständen würde ich es eher unter Don't Ask/ Don't Tell zählen als unter heimliche Affaire. Oder sagen wir besser: Es ist ein Hybrid, da du Polyamor und deine Frau Nicht-Polyamor lebt.
„Viele Leute halten das für ausgemachten Blödsinn, aber ich sehe Heimlichkeit nicht zwangläufig als Mittel "seinen eigenen Arsch zu retten", oder weil man "zu feige zum Gestehen" ist. Nein. Für mich kann Heimlichkeit durchaus auch "Schutz des Betrogenen" sein.
Was nun folgt, mag wie Wortklauberei wirken.
Doch in meinen Augen haben deine Frau und Du ein einvernehmliches
Tabu.
So ein Tabu ist für mich keine Heimlichkeit. Es setzt bloß Grenzen in der Kommunikation.
Der Anfang, deine eigenwillige Suche war noch
Heimlichtuerei.
Doch nun hast du ihre Erlaubnis und ist es ein Tabu.
Andersherum hast du ihr Desinteresse an deinen außerehelichen sexuellen Aktivitäten akzeptiert.
In etlichen Polyamoren Beziehungen prallen hin und wieder unterschiedliche Bedürfnisse bei der Gretchenfrage "Wieviel Transparenz und wieviel Privatsphäre wollen wir leben?" aufeinander.
Wenn dem Einen das Interesse/ die Anerkennung des Partners für seine Polybeziehungen fehlt und es dem Anderen "Too Much Information" sind.
In dem Punkt sind du und deine Frau euch glücklicher Weise einig.
OK. Liebe. Die Andere "lieben zu dürfen" wurde nicht explizit besprochen.
Muss man das denn?
Ich vermute: Deine Frau weiß im Grunde genommen, wofür sie dir da die Erlaubnis gegeben hat: Sex.
Und dass du beim Sex wohl kaum zu einer gefühllosen Sex-Maschine mutierst, ist auch naheliegend. Alles andere wäre unmenschlich. Und es ist ja auch nicht an ihr, dir deine Gefühle zu erlauben. Deine Gefühle erlaubst du dir selbst.
Sie will sich bloß nicht damit auseinandersetzen müssen. Nicht darüber nachdenken. Keine Bilder von "Dir mit einer Anderen" im Kopf haben. Nicht irgendwie damit konfrontiert werden. Weder durch dich noch durch Dritte.
Dritte...
Niemand mag in der Gesellschaft gerne als "der gehörnte Mann" oder "die betrogene Frau" darstehen.
Oft ändern sich dann die Reaktionen der Menschen im sozialen Umfeld. Man wird nicht mehr so ganz für voll genommen... Man hat in Punkto Monogamie versagt.
Wenn man selbst Polyamor lebt, ist das was anderes. Dann vertritt man bei Bedarf seinen eigenen Standpunkt und gut ist. Da ich keine Monogamie will, stehe ich nicht als Versagerin dar.
Meine Poly-Beziehungen dienen jedoch nicht als Aufklärungsbeispiel. Da bewahre ich mir meine
Privatssphäre. Für Menschen, die mehr über Polyamorie wissen wollen, gibt es im Internet tolle Webseiten.
Heimlichtuerei sehe ich darin nicht. Da bin ich doch auch nicht anders als Otto-Normal.
Otto-Normal würde doch auch keine allzu neugierigen Fragen über seine stinknormale Ehe beantworten.
Doch für jeden monogam tickenden Menschen wären solche Verhör-Situationen die Hölle.
Insbesondere, wenn das Don't Ask/ Don't Tell Modell gelebt wird.
Und an der Stelle kommt nun deine
Diskretion ins Spiel, um deiner Frau diese Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft zu ersparen.
Deine Diskretion beschützt und bewahrt ihren sozialen Status als monogam lebende Ehefrau.
Einen sozialen Status, den ich nicht habe/ nicht brauche.
Tabu, Privatssphäre, Diskretion grenze ich von der Heimlichtuerei ab.