„ich möchte mein (Sex)-leben offen u frei führen mit festen Verbindungen zu tollen menschen...dieses heimlich sein ist so mega anstrengend und macht so viel schönes kaputt und unentspannt...und emotional einsam. Gibt es Menschen hier, denen es ähnlich geht oder ging?
Wie lebt ihr eure Lust u Neigungen, wenn die feste Beziehung kaum Raum dafür bietet?wie geht ihr mit euren Heimlichkeiten um? Mit Umstrukturierung? Wie fühlt ihr euch damit?...suche Austausch, Erfahrungsberichte, Inspiration...danke,lg
Mein Lebensweg war ja ein ganz anderer als deiner.
Dass mir Heimlichkeiten nichts sind, stand für mich früh fest.
Aber ich mag auf "Verbundenheit" versus "Sexleben offen und frei führen" eingehen.
Tiefe Verbundenheit mit Männern habe ich in meinen alten Männerfreundschaften. Diese Menschen begleiten mich seit mehr als der Hälfte meines Lebens... und waren leider immer wieder "Stein des Anstoßes" bei meinen neuen monogam tickenden Partnern. Oder sagen wir besser: Bei meinen Partnerschaftsversuchen.
Der "Partner" wünschte sich, mein engster Vertrauter zu sein.
Und diesen Wunsch, dass mein Partner eines Tages mein engster Vertrauter ist, diesen Wunsch habe ich auch.
Aber ich bin auch Realistin: Vertrautheit lässt sich nicht von jetzt auf gleich herbei ficken.
Der Hormonrausch und die rosarote Brille gaukeln einem zwar "Vertrautheit" vor.
Doch wenn man die Brille mal ablegt, wird einem bewusst, dass man verknallt in seine eigenen Wünsche ist. Das Gegenüber ist bloß eine passende Projektionsfläche. Der Andere könnte tatsächlich so sein. Er könnte aber auch anders ticken.
Meine Wünsche sind mir vertraut. Doch wir zwei sind uns noch lange nicht so vertraut wie meine Freunde.
Und ich war nie dazu bereit, gesunde platonische Freunschaften zu opfern, um diesen Wunsch "mein Partner ist mein engster männlicher Vertrauter" ad hoc wahr werden zu lassen.
So sexistisch mag ich gar nicht mit platonischen Freundschaften umgehen!!
Dann brauchen wir - mein neuer Partner & ich - eben ein paar Jahre, bis wir dieselbe Intensität an Vertrautheit & Verbundenheit miteinander aufgebaut haben.
Kennenlernen braucht nun mal seine Zeit.
Nun denn...
1. Stieß meine Haltung zu dem Thema bei monogam tickenden Männern nicht auf große Gegenliebe.
Je älter ich wurde, desto öfter hatten gleichaltrige Männer für mindestens eine Ex all ihre platonischen Frauenfreundschaften geopfert. Und im weiteren Verlauf hatten sie den Aufbau einer platonischen Freundschaft zu einer Frau kaum noch ernst genommen. Etliche monogam tickende Männer hatten sich damit abgefunden, dass es keine platonischen Freundschaften zwischen Männern und Frauen geben dürfe/ könne.
Und diese sexistische Norm erwarteten sie auch von mir.
Ich solle mir gut überlegen, was mir wichtiger wäre.
Ich solle mich entscheiden.
In Ordnung!
Wenn Einer unbedingt eine Entscheidung von mir will, bekommt er eine!
Ich sollte mich also entscheiden zwischen einem sexistischen Mann, den ich seit ein paar Wochen/ Monaten ficke (Verliebtheit) und mehreren jahrelangen engen Vertrauten (tiefe platonische Liebe)?
Verliebtheit versus Liebe? - Einfache Entscheidung.
2. Dadurch dass ich enge Freundschaften mit Männern auf Augenhöhe pflegte, sprangen mich die patriachalistischen Beziehungsmuster bei Möchtegern-Gleichberechtigten-Partnern geradezu an.
Beides führte dazu, dass ich mich mit 22 Jahren entschied, meine Sexualität außerhalb des monogamen Partnerschaftsmodells zu leben. Und bis auf ganz wenige kurzweilige Ausnahmen blieb ich die letzten 20 Jahre bei dieser Entscheidung. Also:
Authentische & verlässliche Männer auf der einen Seite < - - > Sexualpartner auf der anderen Seite
Also ich hatte schon tolle Sexualpartner. Auf Triebebene ein super Spielgefährte!
Doch in Punkto Wertehierarchie und/ oder Lebenszielen drifteten wir so weit auseinander, da hatten wir lieber unseren Spaß als Bekanntschaft+.
Eine wunderschöne Insel im Alltag, um das Leben zu feiern.
Hier und dort mit spannenden Eindrücken aus einem ganz anderen Leben.
Alle schönen Emotionen werden geteilt - wie in einer Party-Clique.
Ansonsten: Gutmütig oberflächlich einfach über Unstimmigkeiten hinweggehen und auf ein anderes Thema lenken. Schließlich will man die Zeit, die man miteinander verbringt Spaß haben. Und wenn man sich nicht allzu oft sieht, fangen die ganzen Macken und Unstimmigkeiten auch nicht an zu nerven.
Größter Vorteil bei dieser Beziehungsform: Da ist das Ausleben der sexuellen Lust größtenteils von all dem Beziehungsgedönse befreit. Da geht's um die pure Lust.
Für alle Sexpraktiken, die unerwünscht sind, gibt es andere Spielgefährten und Gefährtinnen.
Das nimmt den Beziehungs-Druck raus.
Das Bedürfnis zu Erörtnern, warum Sexpraktik XY nun nicht gewollt ist, hält sich auf beiden Seiten in Grenzen. "Lass uns lieber was machen, was uns hier und jetzt Spaß macht als so ein blödes Beziehungs-Gespräch zu führen.", lautete da die unausgesprochene Devise.
Eben wie bei allen anderen Umstimmigkeiten auch: Immer schön ausweichen.
Größter Nachteil: Heiratsanträge von Männern, die vergessen hatten, dass wir zwei ja bloß eine schöne nette Illusion leben. Dass sein Leben und mein Leben so gar nicht zusammen passen. Dass abgesehen vom Hedonismus wir in unserer Wertehierarchie etliche krasse Gegensätze hatten. Hin und wieder lachten und scherzten wir sogar darüber, dass uns außer Hedonismus nichts verbindet.
Also wenn wir zwei eine Familie gegründet hätten (sein Wunsch), wäre es sehr spannend geworden, welche Werte wir unseren Kindern außer Hedonismus vermitteln...
Vermutlich wären das Drogenjunkies geworden:
Von Haus aus voller innerer Konflikte, aber Hedonismus ist geil. Yeah!
Sooo unpassend waren diese Heiratsanträge.
Aber hey! Wenn der Sex gut läuft, dann träumen sich Männer die Frau gerne "passend".
Deswegen sind auch Casual-Sex-Beziehungen oftmals zeitlich begrenzt.
Entweder es endet, weil der Sex rasch eintönig wird. (Wenige gemeinsame Faibles)
Oder es endet, weil der Mann sich in einer Phantasie-Welt verirrt hat und nach der notwendigen Enttäuschung ist die Luft raus.
Wenn die Mehrheit der Männer nur ficken wollen würde, wäre die Welt einfacher.
Online treiben sich viele herum, die das mit dem Casual-Sex verdammt gerne mal ausprobieren würden.
Auf einschlägigen Veranstaltungen triffst du aber eher die Männer, die das auch leben können. Erfahrene Swinger sind meist gut gefestigt und eiern nicht groß herum.
Wie man in Pandemie-Zeiten neue Leute kennenlernt?
Keine Ahnung. Kein Bedarf.
Andere Beziehungsformen, Polyamore Beziehungskonstrukte, Aufbau von Freundschaften+ habe ich auch. Aber die lasse ich hier mal beiseite.
Worauf ich hinaus will:
1. Selbst dann, wenn es doch bloß um die pure Lust gehen soll, wirst du mit deinen eigenen Beziehungsbedürfnissen konfrontiert werden. Die Frage ist, ob du diese dann beiseite schieben willst, um dich erneut auf das freie Ausleben der Lust zu konzentrieren. Die Freiheit nimmt mit etwas Übung zu.
Falls nicht, falls sich das für dich total doof anfühlt, ist Casual-Sex eben nicht dein Ding. Auch OK.
2. An deiner Stelle würde ich mich auch mal mit den verschiedenen Poly-Konzepten und/ oder Beziehungsanarchie beschäftigen. Aber unkomplizierter sind diese Beziehungsformen nicht. Und ohne offene Kommunikation läuft da vieles schief.
Übrigens: Viele Polypaare suchen nach einer Bi-sexuellen Frau zwecks Erfüllung ihres großen Wunschtraums einer Triade. Da wärest du gefragt. Aber da hast du dann sogleich eine 2:1 Situation. Und deren Vorstellungen sind meist sehr eng gestrickt. Den meisten bi-sexuellen Frauen ist das "viel zu eng".
3. Egal wie du es angehst, für welches Beziehungskonzept du dich entscheidest:
Auseinandersetzungen wird es immer geben.