„Ich versuche mich mal an einem differenzierten Rat. Grundbedingungen von Mr Caligari (wenn man das Profil einbezieht): wir haben den Hinweis auf das Cabinet des Dr. Caligari sowie auf Douglas Adams. Ich gehe also von einer gewissen Intellektualität aus. Dazu kommt, dass Du „in der Öffentlichkeit“ stehst. Spricht für die Berufsfelder (Kommunal)Politik, Lehramt/Schulleitung, Geschäftsführung, etc. Hochschuldienst schließe ich eher aus. Dennoch ist ein „gesetteltes“ Familienleben ein Ideal, welches durch das soziale/berufliche Umfeld erwartet wird, so zumindest meine individuelle Wahrnehmung.
Seit dem 34./35. Lebensjahr ist die aktuelle Ehe sexlos - also weniger als zehnmal pro Jahr kommt es zum Geschlechtsverkehr, wobei Du schreibst, dass ihr aufgehört habt, da der Akt selbst nicht „gut“ (im Sinne von aufregend/abwechslungsreich/?) war. Das geschah in einer Phase, in der Mann oftmals an der eigenen Karriere arbeitet und sich entsprechend in Arbeit stürzen kann, um sich vom mangelnden Sex ablenken kann. Dazu kommen mehrere Kinder. Ausgehend von der Situation nehme ich an, dass alle oder alle, bis auf das jüngste, Kinder aus dem gröbsten raus, also volljährig sind. Ausgehend von den anderen Informationen, besteht die Ehe seit knapp 20 Jahren, die Beziehung scheinbar schon länger. „Relativ jung zusammengekommen“ ist wieder im Kontext zu sehen. Bei Akademikern wären das die frühen 20er, bei Nicht-Akademikern sind es meist die Teenagerjahre. Ich gehe vom ersteren aus, sprich Hochzeit nach dem Studium und „Ankommen im Beruf". Bei Paaren, die jung zusammengekommen sind, sind wir oftmals zusätzlich beim Thema „Schuld“. Ich kenne eine ganze Reihe von Beziehungen, bei denen die Frau mit dem ersten Partner zusammengeblieben ist, mit dem sie Sex hatte. Sie hat dann „extra für ihn“ ihre Unschuld aufgegeben, so dass er die „Schuld“ an ihrer Entjungferung hat (sind meist stark christlich geprägte Elternhäuser). Sexuell sind das alles die Beziehungen, die ähnlich sexlos sind, wie von Dir beschrieben.
Dazu kommt das Thema „Tod von Angehörigen“ als relativ aktuelle Situation. In Kombination mit dem Alter würde ich Dir, würde ich mit einem Menschen im Bekanntenkreis reden sagen „Willkommen in der Midlife-Crisis“ - und da sind solche Fragen, wie Du sie aufwirfst, völlig normal.
[Ich bitte um Entschuldigung, ich versuche für mich nur ein paar Fakten zusammenzutragen, um differenziert auf die im Eingangspost gestellte Frage/Problemstellung zu antworten.]
Gehen wir mal in die Situation. Für mich sind folgende Fragmente des Textes besonders relevant:
„Allerdings sagt diese Frau, sie möchte keine Beziehung mit mir. Und sie rät mir, eine Trennung zu vermeiden.
[…]
Sie ist ein sehr klar denkender Mensch…
[…]
Aber warum gehen wir dann zu zweit essen, und umarmen uns recht lange beim Begrüssen und Verabschieden?
[…]
Sie sagte mir vor unserem Date, dass Sie sich frisch verliebt hat, und dass es kein Happy-End für uns zwei geben wird.
[…]
Ob es vielleicht der Gedanke an das Alleinesein ist, der mich daran festhalten lässt. Und hat mir ins Gewissen geredet, sich nicht zu trennen."
Zunächst: Zeitwahrnehmung ist relativ. Ich denke, dass die meisten das kennen. Man liegt mit dem/der Partner/in auf dem Sofa und knutscht gefühlt fünf Minuten und plötzlich fehlt einem eine Stunde. Umgekehrt sitzt man in einer langweiligen, auf zwei Stunden angesetzten Besprechung und schaut nach einer gefühlten Stunde auf die Uhr, nur um zu erkennen, dass gerade drei Minuten vergangen sind. Das „recht“ lange ist relativ. Wo der Rheinländer vom mürrischen Norddeutschen spricht, ist das "Moin moin“ beim Friesen schon ein Gefühlsausbruch.
In den Gesprächen hat sie offenbar etwas erkannt, was sie zu der Annahme verleitet hat, dass Deine (wenn auch sexlose) Ehe etwas Erhaltenswertes ist.
In einer Krisenphase überlegt man es sich zwei- oder drei(hundert)mal, ob man sich trennt. Auch das ist normal. Die eigene Sterblichkeit hält einen nachts wach und die Frage steht im Raum, was ist, wenn man in den letzten Stunden alleine ist. Und dann bleiben viele Menschen lieber in einer unerfüllten Beziehung, statt „den Sprung“ zu wagen. Genrell scheinst Du in einer Phase Deines Lebens zu sein, in der Dir ein Neuanfang möglich erscheint. Kind(er) aus dem Haus/aus dem Gröbsten raus, Haus abbezahlt, was auch immer. Den vermeintlich sicheren Weg zu wählen und den Sprung erst dann zu wagen, wenn eine neue (gesellschaftlich akzeptable) Partnerin zur Verfügung steht, ist ebenso normal - auch wenn manche/r das befremdlich findet.
Ich kann nur den Rat geben, dass man eine Frau niemals auf ein metaphorisches Podest stellen sollte „Das ist sie, die perfekte Frau“, auch wenn es schwer fällt. Der Ex meiner Ehefrau hatte das mit ihr acht Jahre lang getan; für ihn war sie perfekt, ihre für ihn unerwünschten Eigenschaften, hat er ignoriert. Ich denke, dass es für Dich, in Deiner jetzigen Situation (wie sie sich mir hier darstellt, ausgehend von dem wenigen, was man nachlesen kann) nur wenige Wege gibt. Mein Rat wäre, dass Du Dir erstmal eine kleine Wohnung nimmst und Dich von Deiner, von Dir als sehr eifersüchtig beschriebenen, Ehefrau räumlich trennst. Dann musst Du lernen alleine klarzukommen. Auch das fällt nicht jedem Menschen gleich leicht.
Ich überlege gerade, ob ich mit den Aspekten „zu Caligari werden“ oder „den Weg zur Gesundung finden“ arbeiten kann. Finde da aber keinen rechten Zugang. Das dürfte Dein Job sein, herauszufinden, was davon was ist.
Da liegt der Fokus für mich zu sehr auf "is normal, leb mal allein n halbes Jahr, dann gehst wieder zurück und alle werden happy"