„Monogamie vs Polygamie
Ganz ernsthaft entschlossen, oder entspannt locker?
Gesellschaftlich anerkannt oder verpönt?
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Moin,
ich melde mich aus der Quarantäne, auch um meinen Kopf wieder zu gebrauchen, weil mir Corona gehörig auf den Nischel geht - also schon mal sorry, falls meine Gedankengänge ein wenig ungeordnet sein sollten.
Ich bin in einer offenen Ehe.
Wir haben uns ganz ernsthaft entschlossen. Darüber nachgedacht, geredet und sind zu dem Entschluss gekommen, die Ehe zu öffnen, bevor wir uns scheiden lassen, auch weil wir beide es uns und unserer Beziehung zugetraut haben.
Gesellschaftlich ist es zum Löwenanteil verpönt. Klar, das Normativ ist eben die monogame Ehe, im Idealfall mit Paaren, die sich lieben bis in alle Ewigkeit, die füreinander bestimmt sind, die sich gegenseitig in möglichst allen Belangen ergänzen und befriedigen; dass die Welt nicht so ist, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen, denn es wird fremdgegangen, dass das Wasser die Wand 'runterläuft. Und das, so habe ich manchmal das Gefühl, ist sogar noch eher akzeptiert als eine offene Beziehung. Wenigstens weiß man, dass fremdgehen moralisch verwerflich ist, da ist die Schublade schnell offen und wieder zu - wenn jetzt einer "fremdgehen" darf, und es sogar akzeptiert, dass seine Frau ihm "Hörner aufsetzt", ja, damit haben viele Leute anscheinend ein Problem. Denn für viele ist es vielleicht durchaus schwierig, diese recht unkonventionelle Beziehungsform einzuordnen - deshalb nutzen sie gerne die vorhandenen Denkmuster: man geht sich gegenseitig fremd, das ist doch nur ne Ausrede, um die kaputte Beziehung schönzureden, man ist doch nur noch eine Zweckgemeinschaft (wegen der Kinder)...
Es kursieren ebenfalls eine ganze Menge Vorurteile, oft von Leuten verursacht, die die OB als Ausrede fürs fremdgehen nutzen.
Es kommt mir auch oft so vor, dass viele Leute Klischees aus Bequemlichkeit glauben, getreu dem Motto: "wer was will, sucht Lösungen, wer was nicht will, Gründe".
Oft wird zum Beispiel angeführt, dass Vergebene nicht besuchbar sind - kann schon sein, aber ist nicht immer so; und vor allen Dingen stelle ich mir da auch gleich mal die bange Frage: warum um Himmels Willen wird im Gegenzug davon ausgegangen, dass es bei Singles anders ist? Soweit ich weiß, covern sich Singles recht selten, sind sie also besuchbar, setzen sie sich einer ungleich höheren Gefahr aus, verletzt, beraubt, oder sogar getötet zu werden. Warum also ist überhaupt jemand besuchbar, speziell bei Sexdates?
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Im Gegensatz zur monogamen Beziehung ist hier aus meiner Sicht ein noch höheres Maß an Vertrauen und Offenheit nötig, welches für mich bislang noch sehr im Kontrast zum Neid/der Eifersucht steht.
Bei manchen ist vielleicht auch noch der Faktor des, ich nenne es Mal "Besitzrecht", also die Exklusivität eine wichtige Rolle, die für die Monogamie spricht.
Sicherheit und Gesundheit müssen ja auch beachtet werden.
Damit hast du Recht - wenn man es richtig machen will, braucht es viel Vertrauen und Offenheit; immerhin setzt man sich der "Gefahr" aus, dass der Gegenpart die Beziehung beendet, weil er jemand "besseren" gefunden hat, und man steht im schlimmsten Fall alleine da. Sowas wäre auch ein tiefer Einschnitt ins eigene Leben, derjenige Part, der aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen müsste, hätte mal ein paar Wochen richtige Qualen. Man muss seinen Lieblingsmenschen schon sehr genau kennen.
Neid und Eifersucht (bzw. Sorge!) wird es geben, bei beiden, da braucht man sich nichts vorzumachen. Ist bei mir tagesformabhängig, oft gar nicht, manchmal ein wenig und ganz selten sticht die Vorstellung. Aber das ist mein Problem, mit diesen Gefühlen muss ich mich auseinandersetzen, im Gegenzug auch meine Frau bei mir. Als ich das erste Mal zum (platonischen!) Date gefahren bin, hatten wir zwei schon ein seltsames Gefühl.
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Sind Regeln/Grenzen notwendig, oder muss das Vertrauen ausreichen?
Funktioniert es auch wenn nur einer von beiden monogam sein will?
Ist es überhaupt eine bewusste Entscheidung, oder trifft das Bauchgefühl/Herz diese Entscheidung?
Sollte man es dem Partner gönnen oder verbieten?
Kann man es dem Partner überhaupt verbieten? Endet es dann nicht am Ende doch im gegenseitigen Betrug? [...]
Aus meiner Sicht: Ja, Regeln und Grenzen sind wichtig und unumgänglich. Schon allein der Definition halber; und wenn es ist, dass überhaupt keine Regeln existieren. Denn nur so kann man auch darüber reden, wenn etwas belastet. Wir haben uns, bevor wir die Beziehung geöffnet haben, gemeinsam(!) ein Regelwerk ausgearbeitet, das für beide gilt. Es gibt wenige unumstößliche Regeln und etliche Regeln, die jetzt erst einmal als Leitplanke dienen sollen und justiert/verändert/verworfen werden können. Die unumstößlichen Regeln umfassen zum Beispiel Sachen bezüglich des safer Sex, des (gegenseitigen) coverns, justierbar sind Regeln, die es jetzt verbieten, Dreier zu haben, Clubbesuche usw. Wir wollen das ruhig angehen. Wenn uns langweilig wird, können wir über diese Regeln reden. Eine Zwischenregel haben wir auch: nicht zu häufige Partnerwechsel. Faustregel: bei einer Fußballmannschaft pro Monat können wir gegenseitig unser Veto einlegen;
Aber zum Glück sind wir beide nicht die Typen dafür; man wird sich ausprobieren, aber dann bevorzugen wir doch beide etwas Festes.
Dazu haben wir noch ein-zwei salvatorische Klauseln, wo nötig.
Denn ja, auch Leute in offenen Beziehungen können sich fremdgehen - nur fängt das bei uns nicht bei einem Kuss oder bei Sex an, sondern beim verletzen des Vertrauens des Gegenübers! Und das ist meines Erachten auch das, was fremdgehen in einer konventionellen Beziehung moralisch verwerflich macht - der Bruch festgelegter Regeln und damit das Vertrauens des Gegenparts. Das bedeutet auch: wenn das in einer offenen Beziehung geschieht, schmerzt er mindestens genauso wie bei konventionellen Beziehungen, vielleicht sogar mehr, weil das Vertrauen sehr tief ist. Wobei ich hier nicht die Tiefe des Vertrauens einer OB gegen die Tiefe des Vertrauens einer konventionellen Beziehung gegeneinander aufwiegen möchte! Tiefes Vertrauen ist tiefes Vertrauen. Es ist aber vielleicht möglich, das Vertrauen in einer konventionellen Beziehung eher zu beschädigen oder zu zerstören, einfach weil mehr Möglichkeiten gegeben sind, z.B. durch heimliches Sexting oder heimliches Treffen...
Ob es funktioniert, wenn eine Beziehung nur einseitig geöffnet ist, kann ich nicht sagen - ich für meinen Teil würde sagen ja, aber uns stellt sich die Frage nicht; unsere Beziehung ist darauf ausgelegt, dass beide die gleichen Rechte und Pflichten haben. Wir mischen uns auch nicht beim Gegenüber ein. Meine Frau geht jetzt lieber etwas für ihre Fitness machen anstatt auf Dates. Soll sie. Ich halte ihr den Rücken frei, egal wohin sie jetzt geht - sie tut für mich dasselbe.