Ein paar Gedanken zu dieser Thematik: Vorweg: die meisten Menschen verwenden die Begriffe monogam und polygam nicht im eigentlichen Sinne (also Heirat mit mehreren Partnern), sondern im biologischen Sinne. Aber Begriffe dürfen in der Alltagssprache einen Sinneswandel durchlaufen - das ist ja das Schöne an Sprache.
In meinem Leben habe ich eine ganze Reihe von Frauen erlebt, die zwar eine monogame Partnerschaft wollten, parallel den Gedanken an das Ausleben der Sexualität mit mehreren Männern hocherregend fanden. Ein scheinbarer Widerspruch, aber zwischen kulturell erworbenen Wertvorstellungen und den ursprünglichen Bereichen unseres Gehirns gibt es eben Unterschiede. Das in diesem Thread angesprochene Thema finde ich biologisch und psychologisch unheimlich spannend, da es Lebensentwürfe, Perspektiven auf das System der Paarbeziehungen und Vorstellungen von Moral und Ethik ergründen lässt.
Wir haben kläglicherweise nur einen geringen Einblick in die tatsächlichen Lebensumstände rund um das Sexualverhalten vergangener Epochen, abgesehen von einigen antiken Darstellungen. Historisch hat es zumindest im Adel und bei den Patrizierfamilien immer wieder zahlreiche illegitime, sprich ausserehelich gezeugte, Nachkommen gegeben, die irgendwie standesgemäß untergebracht werden mussten. Eine Vielzahl von Mätressen für die Herren der hohen Häuser sowie Liebhaber für die Damen ist in den verschiedenen Urkunden und Schriften noch heute nachweisbar.
Polygamie, in ihren Erscheinungsformen Polyandrie und Polygynie, dürfte zumindest in unserer menschlichen Entstehungsgeschichte lange Zeit die typischere Form der Reproduktion sowie des Zusammenlebens gewesen sein, betrachten wir den gesamten Prozess der Menschwerdung.
Ein uraltes Narrativ konstatiert, dass Männer die Grundmotivation haben, so viele Kinder mit so vielen Frauen wie nur irgendwie möglich zu produzieren. Frauen dagegen seien dem Ideal der monogamen Beziehung verschrieben. Die Evolutionsbiologie betrachtet dies mittlerweile als gewaltigen, stark aus männlicher Perspektive betrachteten Unsinn, ausgedacht von alten Männern, die sich bei der Suche nach dem G-Punkt verirrt haben.
Eine Frau gegenüber Konkurrenten zu verteidigen, die Familie zu ernähren, etc. kostet Zeit und Ressourcen. In einer auf Konkurrenz und knappe Ressourcen ausgerichteten Gesellschaft ist dies entsprechend schwieriger umzusetzen. Aber nur dann, wenn wir Bedingungen haben, in denen es um eben jene Ressourcen geht. Monogamie hilft letzten Endes bei der Absicherung der Erbfolge sowie dem Vererben von monetär wertvollen Gütern, etc. an die nachfolgenden Generationen. Sicher zu wissen, dass ein gezeugtes Kind das eigene ist, war für Männer lange Zeit nur dann möglich, wenn diese die Sexualität der Frauen kontrollierten. Aber: um solch einen komplizierten Aufwand zu betreiben, benötigte man dafür etwas, was sich zu vererben lohnt. Waffen aus Holz und Knochen, Zelte aus Tierhäuten, etc., sind zu kurzlebig. Es bedurfte dauerhafter Siedlungen und Landbesitz, um diese Denkweise zu schüren.
Biologisch logischer dürfte es gewesen sein, dass sich bei den frühen Hominiden innerhalb einer Sippe jeder Mann mit jeder Frau paarte - so war sich keiner sicher, wer der Vater des Kindes war. Um Inzuchtdepressionen, also genetische Erkrankungen zu verhindern, macht es Sinn, dass Individuen regelmäßig abwandern. Dies betraf in unserer Spezies wahrscheinlich eher die Frauen, betrachtet man die menschliche Sexualität. In jener Zeit hatten wir, so der Stand der Forschung, vermutlich eher eine matriarchalisch aufgebaute Gesellschaft, was sich ebenso von unseren Sexualorganen ableiten lässt.
Betrachten wir es biologisch: nach einem Orgasmus tritt beim Mann die sogenannte "ejaculatory refractory time“ ein, also die Phase, in der eine Erektion oder ein weiterer Orgasmus nicht möglich sind. Diese Phase ist sehr individuell, jedoch kann (bei aller Standfestigkeit) eine temporäre Unfruchtbarkeit vorhanden sein, sprich: die Menge der Spermien im Ejakulat ist zu gering, um eine erfolgreiche Reproduktion zu sichern.
Frauen haben im Gegenzug deutlich weniger Probleme, nach dem ersten Partner weiterzumachen. Dies ist aber ebenso individuell. Der einen Frau reicht es nach einem, der anderen nach drei und der letzten nach 30 Orgasmen. Dennoch kann der Geschlechtsverkehr meist weitergeführt werden.
Das Selektionskriterium auf Männer, die lange durchhalten können, wäre demnach für monogame Beziehungen relevant. Der eine Mann kann so lange, dass seine Partnerin voll befriedigt ist. Dagegen sprechen jedoch die durchschnittlichen Zeitintervalle, die Mann (ca. sechs Minuten) und Frau (ca. 40 min) für ihren jeweiligen Orgasmus benötigen (die WissenschaftlerInnen dürften zumindest Spaß beim Zugucken gehabt haben).
Generell scheinen wir Menschen demnach auf eine Form der Polyandrie selektiert worden zu sein, also eine Frau, die mit mehreren Partnern in kurzer Folge sexuellen Kontakt hat.
Wer sich in einem Zoo (andere Optionen möchte ich mir lieber nicht vorstellen) den Penis eines Schimpansen oder eines Gorillas angesehen hat, wird schnell feststellen, dass wir Menschen unter den Primaten sehr gesegnet sind was die Penislänge anbelangt - Mikropenisse mal aussen vor. Der durchschnittliche kleine Freund des Menschen doch überproportional groß und hat eine ungewöhnlich ausgeformte Eichel. Diese Form ist ein ideales Werkzeug, um die Hinterlassenschaften des Vorgängers aus dem Vaginaltrakt zu befördern. Wenn der Penis seine ungewöhnliche Form, verglichen mit anderen Primaten, hat, um Spermien eines Artgenossen zu entfernen, hätten wir eine nicht unerhebliche Zeit unserer Evolution damit verbracht, dass eine Frau in kurzer zeitlicher Folge mit mehreren Männern Sex hatte. MMF, Gangbang, etc. wären damit das typische Paarungsverhalten von Homo sapiens, wohingegen die Einehe, etc. eher eine Errungenschaft der Kultur wäre. Ähnliche Penisformen finden wir bei den, übrigens auf weiblicher Seite überwiegend bisexuellen, Makaken. Bei jenen Spezies, welche ein vergleichbares Sexualverhalten haben wie wir Menschen, findet sich eine geringe Häufigkeit von Konkurrenzverhalten im gegenseitigen Umgang sowie ein hohes Maß an Toleranz. Der Wettkampf wird sozusagen beim Sex ausgetragen, während Mann die Spermien seines Vorgängers herausvögelt. Besser, als sich zu prügeln - und für die weiblichen Makaken sicherlich befriedigender.
Weiterhin muss man anmerken, dass wir als Spezies auf der männlichen Seite nicht wirklich polygam sein können, so sehr es sich mancher Mann wünschen mag. Das Verhältnis Hodengewicht zu Körpergewicht entspricht nicht den real polygamen Arten (man denke an den durchschnittlichen Ziegenbock). Allenfalls könnte man sagen, dass Frauen polygam sind, Männer dagegen promiskuitiv.
Parallel fehlen dem menschlichen Penis die ganzen amüsanten Haken, Knoten, etc., welche die Arten aufweisen, bei denen sich Männchen mit mehreren Weibchen paaren - was wiederum für (männliche) Monogamie sprechen würde.
Man kann es eigentlich kurz fassen, und ja, ich erkenne die Ironie nach so einem langen Text: der Mensch hat sowohl Merkmale einer polygamen, als auch einer monogamen Art. Das so ein biologisches Reproduktionsorgankuddelmuddel dazu führt, dass menschliches Sexualverhalten etwas kompliziert ist, erschwert durch individuelle und kulturelle Normen und Werte, verwundert vor dem Hintergrund nicht. Dazu kommt, dass Werte und Normen, welche wir nach Aussen vertreten, (unbewusst) so gewählt werden, wie wir von anderen Menschen wahrgenommen werden möchten.
Rein biologisch betrachtet, ist demnach sowohl Monogamie, als auch Polygamie evolutionär sinnvoll. In jedem Menschen steckt ein wenig von beidem, das Umfeld, wie wir (unbewusst) wahrgenommen werden wollen und der innere Schweinehund beeinflussen dies jedoch ganz erheblich.