Woa, das ist ja ne interessante Diskussion, womit ich nicht gerechnet habe. Vielen Dank an allen die hier einen Beitrag geschrieben haben.
Da ich hier nicht einzeln anschreiben möchte versuche ich es zusammenzufassen und einige Fragen zu beantworten, die eher auf mich bzw. taube Menschen bezogen sind. Sonst gerne nochmal Fragen.
Dank einiger Beiträge kann nachvollziehen, wenn man dazu steht, und meint: "Ich bin behindert." Das soll jede Person individuell entscheiden, womit die sich am Besten identifizieren kann.
Aber ich glaube es gibt unterschiede, wenn man blind, taub, autist usw. geboren ist, hat man eine ganz andere Sichtweise auf die "Behinderung" als wenn man im Verlaufe des leben eine "Behinderung" erhält.
Also wenn ich durch igendwas mein Bein, Arm, Auge verlieren sollte, würde ich mich eher "behindert" bezeichnen. Ist mein Glied (nicht das Glied ;)) oder Auge mitten im Leben "verloren" gegangen. (Warum auch immer) Wär ich mit einem Bein, Hoden, Arm usw. aufgewachsen, hätte ich die Situation eher lockerer hingenommen. Man kennt es halt nicht anders.
Also, wenn man mal was hatte und dann was verliert, wiegt einem eher schwer. Aber klar, es gibt Menschen, die haben mit der neuen Situation/Herausforderung sehr gut gemeistert und würden eher sagen: "Nö, bin trotzdem nicht behindert."
Das tolle ist ja, wir Menschen sind vielfältig
Zum psychischen Erkrankung und Behinderung kann ich ganz wenig dazu sagen. Wer betroffen ist, sollte vielleicht diesen Absatz nicht lesen, daher Triggerwarnung!
Ich finde das eine ganz harte Sache. Ich glaube zu diesem Thema muss mehr sensibilisiert wird, da es eine "unsichtbare Behinderung" ist, in dem man selten bewusst ist, wie stark es einem treffen kann, sobald man unbewusst bzw. unwissend eine unglückliche Aussage oder Handlung macht. Hier schließe ich mich ein, und habe einen heidenrespekt vor den Menschen, wie sie ihren Alltag meistern!
Ich hatte mal einer leichten Depression gelitten (nicht aufgrund meiner Taubheit), da habe ich schon Grenzen bemerkt. Zum Glück habe ich Lösungen gefunden und damit erfolgreich abgeschlossen und hinter mir gelassen habe. Mir ist bewusst, dass es kein Vergleich ist, aber mir war klar, dass viele das nicht richtig ernstnehmen können oder üebrhaupt eine Vorstellung dazu haben als bei der "sichtbaren Behinderungen".
Hier wurde angesprochen, warum man Begriffe ändern sollte.
Ich finde, man sollte immer hinterfragen und v.a. alle miteinbeziehen und nicht nur ein "Fachteam", das Ärzte vom "Fach" und Politiker und sonst wer die nichts am Hut haben entscheiden sollen.
Damals hat man Menschen, die einarmig oder -beinig waren, wurden als "Krüppel" bezeichnet. Nach dem 1. Weltkrieg z.B. hatten viele Soldaten am Front, die durch den andauernden Bombardements, Zuckugenen (mir fällt gerade den Begriff nicht ein) gehabt, so dass man damals dachte, die schauspielern nur rum und wollen nicht wieder in den Krieg. Die wurden als "Idioten" o.ä. bezeichnet.
Taube Menschen wurden als "taubstumm" bezeichnet. uvm.
Eine Reihe Worte, die heutzutage nicht mehr ausgesprochen werden sollte, da diebeleidigend und diskriminierend sind. Daher finde ich, dass man schon diskutieren sollte wie man den Begriff "Behinderung" differenzieren kann, so dass man sich besser identifizieren kann. Problem ist das Gesetz, wenn man den Begriff ändert, muss das Gesetzbuch alles nur geschrieben werden usw. Mir ist klar, dass es schwer änderbar ist.
Jemand schrieb hier "taubstumm" und hier möchte ich allen bitten, dieses Wort niemals anzuwenden. Am Besten niemals daran denken und aus dem Gedanken eliminieren. "Taubstumm" ist beleidigend und diskriminerend. Man ist taub, aber nicht stumm und dumm.
Ich kann u.a. schreien, stöhnen Laute wiedergeben, sogar habe eine Stimme bei der Wahl
(Ok, ich schweife ab.) Aber meine Stimme ist nicht so ausgebildet wie bei den sprechenden Menschen. Wenn taube sprechen, klingt das für nicht-taube sehr ungewöhnlich. Leider habe ich oft gesehen, dass man sogar belächelt wurde... Die hab ich eben gedanklich erschossen. (So brutal bin ich auch schon, wenn man brutal zu mir und taube Menschen sind.)
Irgendwann wurde der Begriff "gehörlos" geboren. Und seit ca 2010 wird hierzulande vermehrt den Begriff "taub" angenommen. Der Unterschied ist, dass es aus der Gebärdensprachgemeinschaft bzw. Gemeinschaft der tauben Menschen stammt. Das Argument ist: Taubsein (Deafhood) ist eine identität, man hat zwar das Gehör noch im Kopf, und nicht verloren. Zugegeben war ich anfangs skeptisch, denn ich befürchtete, dass aus taub dann taubstumm von den Nicht-tauben Menschen wiedergeboren wird. Aber mit der Zeit und nach einigen Diskussionen habe ich es akzeptiert. Man muss halt mit der Wandel leben.
Klar, habe ich mit Hilfe der Hörgeräten einigermaßen die deutsche Sprache gehört und dessen Schriftsprache angeeignet. Doch ich habe die nie richtig identifizieren können. Das ist etwas was mir schwerfällt in Worten zu beschreiben. V.a. für Außenstehende ist es schwer nachzuvollziehen. Zwar habe ich die DGS erst in der Schule durch Freunden selbst erworben. Lehrer, Erzieher (wuchs im Internat auf, nicht weil ich schwer erziehbar bin, sondern ist 'ne andere Geschichte) sogar meine Familie verbot mir überhaupt die Gebärdensprache anzuwenden. Doch ich war und bin rebellisch und habe immer durchgesetzt, denn ich konnte mit der DGS voll und ganz klar ausdrücken und fühle mich besser verstanden. Wie schon beschrieben hat die Gebärdensprache eine eigenständige Kultur.
Habe im Verlaufe des Lebens die Hörgeräte abgelegt, weil mir das Hören einfach sehr anstrengend war. Erst später habe ich bemerkt, dass ich mit Taubsein viel besser zurecht komme. Viele haben mir dann auch bestätigt, dass ich als schwerhöriger irgendwie unsicher agiere. Als tauber Mensch agiere ich dagegen eher selbstbewusster und -sicherer. Das fand ich anfangs persönlich interessant zu erfahren. Selbst eine hörende Person (Frau), die mich ein wenig kannte sagte zu mir: "Du als tauber Mensch passt perfekt, das ist voll deine Identität. Du geiler Stecher!" Wirklich so xD (Ja, ich wurde von vielen sogenannten Experten "herumgedoktort", die mich eher frustierte und für ist es merkwürdig, wenn man sich gegen das Hören und Sprechen entscheidet.)
Man muss sich mit dem Thema intensiv auseinandersetzen und man braucht dafür viel Zeit.
Daher sehe ich als tauber Mensch nicht behindert, sondern habe eine besondere Eigenschaft.
Ich finde jede "besondere Eigenschaft" bzw. "Behinderung" ist eine Identität und man muss diese Identität erst mal finden. Nur so kann man Selbstwusstsein und Authentität ausstrahlen. Ich bin froh, dass ich mich früh genug gefunden habe. Ich hoffe das geschieht bei vielen auch. Ist halt ein Prozess in dem man sich aus den Fesseln lösen muss. Bei manchen geht es schnell bei anderen eben länger.