Zitat von **********ang77:
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Was heißt Schwankungen, wenn man normalen und harten Sex mag könnte es durchaus doch okay sein, wenn es harten Sex nicht gibt. In manchen oder einigen Fällen ist aber das nicht genug, weil man mit normalen Sex auf Dauer nicht glücklich wäre, obwohl er für beide befriedigend ist. Man möchte unbedingt auch harten Sex und wenn es den nicht gibt, dann trennt man sich, oder es gibt Stress, obwohl der harte Sex nur einen minimalen Anteil am Sexleben ausmacht.
Zitat von **********ang77:
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Das ist halt meine Frage, wie wichtig ist es alles sexuell haben zu müssen?
Ich verbinde diese beiden Aussagen mal kurz, weil sie mein Argument verdeutlichen werden.
"Harter Sex" ist für mich nämlich nicht einfach nur eine Praktik/Stellung wie Reiten oder Lecken. Harter Sex ist eine Dynamik, die unzählige Praktiken und Stellungen mit einschließen kann, ein ziemlich großes Fundament sexueller Erlebbarkeit.
Ich zum Beispiel mag harten Sex, normaler Sex ist auch ok. Und ich wäre eine von denen, die ernsthaft Probleme damit hätte, wenn es nur normalen Sex und niemals harten gäbe. Weil harter Sex Teil meiner fundamentalen Sexualpräferenz ist und nicht etwas, das ich "für Abwechslung" brauche, oder für das mir mal das Fell juckt.
Für mich klingt hier viel heraus, als würden Paarsexualität und Beziehung oft an irgendwelchen Kinkerlitzchen scheitern, irgendwas total Unwichtiges, was aber gerade so spannend ist, aber ich habe ganz häufig den Eindruck, als "unwichtig" wird es primär von der verweigernden Person (oder anderen Außenstehenden) empfunden, weil es ihr - nun ja - wirklich nicht so wichtig ist und sie gut ohne klarkommt. "Wieso brauchst du dreimal Sex in der Woche, ich komme auch mit einmal im Monat zurecht, sei nicht so gierig."
Ja, es gibt diese permanenten Sensation Seeker, die alles ausprobieren müssen und alles jederzeit haben können wollen, weil sie solche Panik haben, sonst was zu verpassen, die keine Impulskontrolle haben und wo jeder Rock und jeder Sixpack angeleckt werden und jede fixe Idee umgesetzt werden muss, aber ich finde, dass diese ganz ehrlich die Minderheit ausmachen.
Die Mehrheit hat meinem Eindruck nach viel weniger Probleme mit dem Fehlen konkreter Einzelpraktiken oder Einzelerlebnisse, als vielmehr mit einer fehlenden Bedürfnisbefriedigung ihrer sexuellen Struktur. Es wird sich zum Beispiel eher selten darüber beschwert, dass Analsex nicht stattfindet, sondern eher, dass Sex zu selten oder gar nicht stattfindet. Es wird sich eher nicht darüber beschwert, dass man nicht jeden Menschen, den man heiß findet, bespringen darf, sondern eher darüber, dass man das gelegentliche Bedürfnis nach fremder Haut hat. Es wird sich weniger darüber beklagt, dass kein Spanking stattfindet, sondern eher darüber, dass einem BDSM-Strukturen wie ein Machtgefälle in der Sexualität fehlen.
Oft sind es eben nicht "Kleinigkeiten", die Menschen in ihrer Sexualität fehlen und denen sie kopflos nachjagen, sondern ganz elementare Bestandteile ihrer individuellen Sexualität. Auf so manche Einzelpraktik können die meisten recht gut verzichten, außer es ist etwas, das sehr essenziell zu ihrer Sexualität gehört (Analsex und -spiele sind da zum Beispiel für mich wichtige Praktiken, ich verliere komplett das Interesse an Gegenübern, die das nicht heiß finden).
Ich sehe es also wirklich extrem selten, dass da jemand daherspaziert, der ein ziemlich turbulentes und abwechslungsreiches Sexleben hat und dann wegen irgendeiner Praktik, die ihm gar nicht mal sooo wichtig ist, das Jammern anfängt, weil er nur mit 100% Zugriff auf alle Möglichkeiten glücklich sein kann. Für die meisten geht es meiner Beobachtung nach um eine leidende sexuelle Identität und ganz oft auch um einen Mangel an Begehren - also darum, dass sie sich nicht begehrt fühlen (sind meiner Erfahrung nach auch primär die Männer, gibt weit weniger Schwanzliebe auf der Welt, als es schön wäre).
Die Frage "Muss man denn alles haben?" klingt dann in diesem Kontext ein wenig zynisch, weil zumindest ich die Beobachtung gemacht habe, dass es sehr selten um Menschen geht, die den Hals nicht voll genug bekommen und viel öfter um Menschen, die an einem fundamentalen Mangel verhungern. Für Außenstehende - und auch der Partner ist in diesem Sinne einer - ist das dann oft nicht nachvollziehbar, warum jemand mit seinem Sexualleben so unglücklich ist, weil oft der Eindruck entsteht, es ginge im Grunde um Kleinigkeiten und Unwichtiges - diese können aber für den Betreffenden sehr wichtig für seine Sexualität sein.
Und es ist halt nunmal auch so, dass für viele Menschen der eigene Partner auch der einzige Sexualpartner ist - oder zu sein hat, die meisten leben ja doch nach wie vor in monogamen Partnerschaften, oder setzen zumindest Monogamie voraus - und es schon nachvollziehbar ist, dass man eigentlich mit dem eigenen Lebenspartner die wenigsten Kompromisse und Abstriche machen müssen sollte. Für mich ist die Frage durchaus legitim, wie viel Sinn eine Partnerschaft macht, die man ja, so denke ich, möglichst lange behalten möchte, in der eine so große Inkompatibilität herrscht, dass das Zurückstecken in dauerhaftem Unglück endet.
Mit einem Kompromiss sollten eigentlich beide gut leben können. Ein Kompromiss bedeutet nicht "Du verzichtest komplett auf dies, dann verzichte ich komplett auf das", wenn der Verzicht einen langfristig unglücklich macht. Ein Kompromiss ist ein aufeinander zubewegen, sodass am Ende beide mit dem Arrangement zufrieden sind. Ein Kompromiss bedeutet nicht Quid pro Quo, oder nur Verzicht für beide Seiten.