Mir vermittelt real Gelebtes mehr. Hier die Geschichte einer entfernten Cousine, sehr hübsch, studiert, großer Hof. Wir hatten kaum Kontakt, denn der Hof meiner Großeltern war einer der kleinsten.
In ihrer ersten Ehe mit Mitte 20 beantragte sie nach zehn Monaten die Scheidung. Das Dorf wurde mit dem Grund "grauenhafter Hautausschlag" dumm besänftigt, sicher war es irgendetwas gravierenderes. Noch keine Kinder, wahrscheinlich Ehevertrag, von ihm hörte man danach nichts mehr.
Die bald zweite Ehe mit einem kernigen Landwirt, kleiner Hof, lief gut, mit Kinder, sie konnte in ihrem studierten Job arbeiten, er war happy, so einen großen Hof bewirtschaften zu dürfen, inkl. Jagdrecht, Standing im Dorf.
Bis der neue Pastor kam. Ein Frauentyp, sie war im Kirchenbeirat. Match! Nach zwei Jahren machten sie öffentlich, was alle wußten. Beide trennten sich, die jugendlichen Kinder blieben jeweils bei den anderen Partnern. Der Pastor wurde von der Kirche 150 km strafversetzt. Sie machte ihren Ex zum angestellten Bewirtschafter ihres Hofes, im Winter musste er saisonal bedingt Arbeitslosenhilfe beantragen, manchmal hatte er eine Freundin. Die geschiedene Frau Pastorin blieb mit ihren Kindern im Dorf, das ihr half, ein kleines Haus zu erwerben.
Seine Nachfolgerin im Pastorenhaus und -amt, lesbisch, Feministin, unverheiratete Pastorin, das nahm das Dorf den Kirchenoberen richtig übel. Sie hatte es nicht leicht.
Jetzt, Jahre später, leben beide sehr happy verheiratet im Nachbardorf, er im Ruhestand engagiert sich ehrenamtlich in dieser ehemaligen Gemeinde, die er verlassen musste und wird sehr geachtet. Ihre Kinder studierten, eines möchte den Hof weiter führen.
Leben, Lieben ist mehr als Moral, Statistik und veraltete Lebensweisheiten. Die Frage ist doch eher: Kenne ich mich? Kenne ich den Mann? Haben wir Mut, Kraft und Möglichkeiten, unsere Realität zu ändern.