„ "Ist Monogamie noch zeitgemäß?"
Ja, absolut. Genauso wie Heterosexualität bei aller Diversität "zeitgemäß" ist. Das ist doch keine Meinungsfrage, sondern ein (statistischer) Fakt.
„ Zugleich berichtet er aus seinen persönlichen Erfahrungen mit dem Beziehungsmodell der Polyamorie.
Ich habe immer Schwierigkeiten, die Rede von Polyamorie als Beziehungsform rein logisch zu verstehen, so lange es sich nicht um Drei- und Mehrecksbeziehungen handelt, in denen jeder mit jedem "in einer Beziehung" ist, sondern um mehrere zumindest potenziell gleichrangige Zweierbeziehungen. Mehrere Beziehungen zu haben ist doch nicht
eine polyamore Beziehung – oder doch?
„ * Welche Art Beziehung lebst du und warum?
Ich möchte eine Bemerkung zur Frage in sensibilisierender Absicht vorweg setzen: Die Frage setzt aus meiner Sicht eine Beziehungsnormativität voraus – nämlich dass es
die Beziehung gibt, bei der ein unausgesprochenes Etwas (das die Beziehung zur Beziehung macht) im Grundsatz zuerst einen gemeinsamen Kern bildet und dann "Formen" hinzukommen, die sich unterscheiden.
Aber das trifft auf Liebesbeziehungen nicht zwangsläufig zu. Denn was Liebe erstens ist und zweitens aus ihr an Beziehungsgestaltung folgt, ist heterogen. Ich versteh schon, dass sich in der Regel/im Beziehungsmainstream gut verstanden wird, wenn man "Beziehung" sagt, jedoch finde ich, wenn es gerade mal um Alternativen zur Norm geht, nicht sinnvoll, einen pauschalisierenden Ausdruck voller Unterstelllungen zu benutzen, der impliziert, dass "man" ja wohl vom gleichen redet, wenn man Beziehung sagt.
(Zweitens, am Rande, hat die besagte Normativität in meinen Augen auch häufig eine manipulative Wirkung. Ich habe schon viele Menschen gesprochen, die dem "auf den Leim gegangen" sind, dass
eine Beziehung ganz automatisch so und so und so sein müsse, vom Kennenlernen der Eltern über einen Anspruch auf Sex bis zu Modalitäten der Urlaubsplanung; obwohl sie es nicht aktiv so gewählt hätten, sondern einfach mitgemacht, als wäre das alternativlos, wenn man sich an einen Menschen romantisch binden möchte. Ich habe in unzähligen Profilen die Auffassung, eine "Beziehung" sei automatisch Freiheitseinschränkung, gelesen (und das nicht in kritischer Absicht, sondern als Preis für eine "Beziehung"!). In beidem spielt meines Erachtens die Aufdringlichkeit der Norm eine Rolle.)
Die Frage sinnentnehmend interpretiert: Ich habe gar keine Liebesbeziehung (aber Beziehungen, die Sex und Emotion beinhalten) und das ändert nichts daran, dass ich polyamor bin (kein Begriff, den ich sonderlich mag, aber wohl beste Annäherung) und nur (noch) Menschen date, die das anerkennen.
„ * Wie hast du dich persönlich in deinem Beziehungsleben entwickelt?
Da hat sich tatsächlich nie was verändert, nur der Umgang um mich herum, die Masse an Wörtern, um mein Empfinden zu beschreiben und damit mein eigenes Wording. Ich war immer polyamor – was ich als die Fähigkeit verstehe, mehrere Menschen auf romantischer Ebene zu lieben plus die Akzeptanz, das zuzulassen und daran nichts problematisches zu finden. Ich fand es, seit ich so etwas wahrnehmen kann (Grundschulzeit), immer befremdlich, dass man nicht mehr außerhalb der bestehenden Liebe lieben darf, sobald man "in einer Beziehung" ist und habe mono-Besitzverlangen als aggressiv erlebt. Ich hätte mich auf solche Regeln, glaube ich, noch nie eingelassen.
„ * Kannst du dir vorstellen, dein Beziehungsmodell zu verändern?
Mein "Beziehungsmodell" wird gemeinsam mit der Person, mit der ich eine Beziehung führe, maßgeschneidert und es ist nicht statisch. Je intimer, enger die Beziehung, desto wichtiger ist mir, dass das "Modell" bewusst gestaltet wird.
Dass ich meine Sexualität und Beziehungen zu anderen nicht besitzen lasse und Transparenz, Rücksicht und Einbindung mag; und dass ich niemanden auswechsle, wegen einer "neuen Liebe", da bin ich recht sicher, dass sich das nicht ändern wird.