Schein und Sein
Der grausame MenschDie Vorstellungskraft des Homo Sapiens bezüglich Gewalt und Unterdrückung gegenüber seiner eigenen Art ist schier unerschöpflich. Selbst scheinbare Gegner dieser Neigungen schaffen es oft fürchterliche Taten in unglaublicher Liebe zum Detail oder in blutrünstiger Übertreibung zu beschreiben oder in Bilder zu fassen. Letztlich ist BDSM nur die in zivilisierte Bahnen gegossene Variante dieser Neigung zu Gewalt, Macht und Unterdrückung, weil sie sich am Ende – ausgenommen körperlicher Taten – nur im Kopf der Beteiligten abspielt.
Schein und Sein des BDSM
So sehr manche „Super-Doms“ propagieren, Sklaven hätten keine Rechte, Wünsche oder gar Widerspruch zu haben, kommen auch sie nicht an einer Vergewaltigungsklage vorbei, sollte jemand beschließen, dass ein ignoriertes Nein oder übertretene Grenze eine Anzeige wert ist. Schlussendlich gibt es keinen rechtlichen oder moralischen Rahmen für Sklaven in unserer Gesellschaft. Nur Straftaten und rechtlich unverbindliche Abmachungen zwischen gleichberechtigten Individuen, welche jederzeit und aus jeglichen Gründen widerrufen werden können.
Und doch ist gerade diese Vorstellung der Verbindlichkeit dieser Verträge ein unverzichtbarer Teil der Machtdynamiken des BDSM. Macht doch gerade die gefühlte Kontrolle über einen anderen oder von einem anderen den Reiz aus. Nur wenn ich nicht jeden Moment befürchten muss, dass die Fantasie durchbrochen wird, kann sie ihre Wirkung vollends entfalten.
Der Grund, warum BDSMler miteinander „spielen“ und ein großer Teil der Spielarten ein „Play“ im Namen trägt, ist die Anerkennung und manchmal notwendige Erinnerung, dass all dies ein Theaterspiel ist, in dem wir so tun als seien diese Verhältnisse Realität. Und doch, so sehr wir uns selbst davon zu überzeugen versuchen, dass all diese Macht- und Rechteübertragungen bitterer Ernst und absolut verbindlich sind, so sehr können und – in meinen Augen – dürfen sie es nie sein.
Eine Bitte
In diesem Sinne mein Appell: Wenn ihr miteinander spielt, nehmt euch und eure Abmachungen ernst. Denkt scharf und ernsthaft darüber nach, welche Bedingungen ihr euch geben wollt und haltet euch daran. Auch wenn regelmäßige Evaluationen und Anpassung Teil der persönlichen Entwicklung sind: Abrupte und stimmungsabhängige Verletzungen der Regeln erschüttern das gegenseitige Vertrauen und beschädigen meist das Verhältnis, welches man sich aufgebaut hat.
Aber vergesst niemals, weder als Top noch als Bottom, dass dies nur Schauspiel ist und gebrochene Versprechen, ignorierte Grenzen und Stopzeichen Konsequenzen haben sollen und haben müssen. Denn solche Dinge sind Zeichen, dass einer – leider zu oft die Tops – vergessen hat, dass all dies freiwillig geschieht und der Respekt für das Gegenüber als Mitmensch verloren gegangen ist. Alles was nicht in gegenseitigem Einverständnis geschieht ist nichts anderes ist als sexueller Missbrauch, Körperverletzung und Vergewaltigung. So traurig es ist, das erwähnen zu müssen.