Ich habe keine Kinder, aber ich habe etwas sehr systematisches in meinem Bekanntenkreis beobachtet. Irgendwann in den 20-ern begann die Paarbildung, irgendwann um die 30 kam "sie" mit Schwangerschaftsbauch daher und ich habe mich verabschiedet mit den Worten: "Dann sehen wir uns vielleicht in 5 oder 10 Jahren mal wieder." Jeder hat gelacht und bei jedem war es so. Es war, als ob diese Menschen von der Bildfläche verschwanden und nur noch zwischen Job, Familie und Supermarkt unterwegs waren und das eigene Leben ein Ende genommen hatte. Jetzt sind die Kinder aus dem Haus oder die Geschiedenen tauchen wieder auf.
Sehr viel anders waren meine Erfahrungen in Ostasien. Dort hatte man den Luxus einer "Maid". Ich konnte mit den Ehepaaren oder auch mit einem von beiden ausgehen. Sie lebten weiter ihr Leben.
Mangels eigener Erfahrung mit Kindern kann ich keine mehr oder weniger pragmatischen Ratschläge geben. Ich war dafür das Kind einer Single-Mutter und ich habe sehr viel Zeit mit der Großmutter verbracht, anstatt Vater und Mutter waren bei mir Mutter und Großmutter die Bezugspersonen, die sich den Kinderstress geteilt haben. Aus meiner eigenen Problemsammlung heraus kann ich aber ein paar Dinge feststellen und dir sagen, was ich getan habe bzw. tue, um aus Tretmühlen heraus zu kommen.
Es geht mit einer Grundeinsicht los: Ich kann mich nicht selbst verlieren, denn ich habe mich immer dabei. Ich bin derjenige, der mir am nähesten ist. Ich bin der wichtigste Mensch in deinem Leben. Selbstaufgabe, Aufopferung, das Aufgeben deiner Selbst bis zur Selbstverleugnung, das Vernachlässigen deiner Wünsche und Bedürfnisse macht nur krank und führt im schlimmsten Fall zu Burnout und Depression. Erst muss es dir gut gehen und du musst glücklich sein, dann kannst du dein Glück bzw. dein "Gutgehen" mit anderen teilen. Mit deinem Kind, mit deiner Firma, mit Freunden, mit der Geliebten. Erst kommt Selbstliebe und Selbstfürsorge.
Ohne Zeit für dich wird's nicht gehen. Wie du das machst, d.h., wie du die Zeit für dich findest, ist dein Problem und nicht meines. D.h., du wirst passende Strategien entwickeln müssen, um einen "Greypaladin-Tag" pro Woche zu finden und nicht nur 7 Papa-Tage und 5-Ingenieurs-Tage. Das soll dann aber auch wirklich ein Greypaladin-Tag sein und nicht ein "das oder jenes muss ich auch noch erledigen, ich nehme den Greypaladin-Tag dafür her".
Du willst aus der Tretmühle raus. Offenbar hat sich ein stabiles Gleichgewicht eingestellt und es ist für dich nicht zu sehen, wie du "das" ändern könntest. Mir fällt dazu eine Anekdote über Viktor Korchnoi ein, lange Zeit einer der besten Schachspieler der Welt. Korchnoi stand in einer Partie gegen einen weitaus schlechteren Spieler auf Remis; ein sehr stabiles Gleichgewicht. Vollkommen unerwartet opferte er einen Läufer gegen zwei Bauern und er stand schlechter als vorher; das Gleichgewicht war gebrochen. Danach gewann er die Partie dennoch auf Grund seiner überlegenen Spielstärke. Später wurde er gefragt, warum er dieses Opfer zu seinem Nachteil gespielt hatte. Er antwortete: "Die Partie stand so remis, sie musste aus dem Gleichgewicht gebracht werden." Denn erst, als wieder Dynamik im Spiel war, als es Möglichkeiten gab, als die Statik durchbrochen war, konnte er sich selbst einbringen und seine tatsächliche Spielstärke ausspielen. - Wie kannst du dein statisch zementiertes Gleichgewicht durchbrechen und Dynamik in deine Lebenssituation zu bringen?
Tertmühlen gibt es nicht nur für alleinerziehende Väter. Sie sind immer verbunden mit Routinen. Die Routinen werden einfach herunter gespult, wir denken gar nicht daran, dass "es" auch anders gehen könnte. Ich habe bei sowas immer angefangen, bewusster zu entscheiden und Dinge anders zu machen. Das beginnt immer damit, erstmal wahrzunehmen, was ich tue. Ich nehme immer den Lift oder die Rolltreppe? Heute gehe ich zu Fuß. Ich putze die Zähne immer mit der rechten Hand. Warum nicht heute mit der linken? Ich grübele immer auf Deutsch nach, wenn ich über ein Problem nachdenke. Ich mache es auf Englisch. Ich ertappe mich dabei, in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Verhaltensmuster zu zeigen. Ich probiere ein anderes. Ich merke, dass ich etwas noch nie zuvor in deinem Leben getan habe. Ich tue es ganz einfach, nur um es zu erleben. Das verändert die Art und Weise, über mich selbst zu reflektieren und mich selbst wahrzunehmen und in der Folge erlaubt es, Routinen, die Tretmühle, zu verlassen.