2014 hatte ich einen Tumor in der Bauchspeicheldrüse und vor eineinhalb Jahren, als ich mich schon der Hoffnung hingab, clean zu sein, kam doch die Streuung und ich hatte einen Tumor im Zwölffingerdarm - dies nur zur Verdeutlichung, dass ich weiß, von was ich rede ...
"Die letzte Zeit, bzw. die letzten lichten Momente gemeinsam genießen zu können" - "genießen" dieses Wort in diesem Zusammenhang finde ich geradezu himmelschreiend welfremd.
Zum einen, weil man als Kranker/Sterbender derart geschwächt ist und zum anderen, weil Medikamente, allen voran Schmerzmittel, die so massiv auch auf das Bewusstsein wirken, man sowieso nicht mehr man selbst ist - wie soll man da noch etwas genießen können?
Und noch ein Punkt (und ich spreche weiter nur von mir selbst!): Wenn letzte lichte Momente mit der/dem PartnerIn geteilt werden, würde mir der Abschied umso schwerer gemacht, denn die Fragen würden auftauchen "Wieso soll damit Schluss sein? Warum soll es ein Ende haben? Warum gibt es keine Fortsetzung des Schönen? - Ist der Preis dafür nicht das elende Verrecken jetzt?" - aber diese Fragen haben weniger mit einer schweren Erkrankung zu tun als mit dem Sterben und dem Tod an sich.
Um mir nahe stehende Personen über meine Beweggründe, so und nicht anders zu handeln, nicht im Unklaren zu lassen, habe ich zum einen eine Patientenverfügung mit Begründung verfasst und zum anderen in meinem Testament (dort werden nämlich nicht nur Vermögenswerte geklärt) mit persönlichen letzten Worten dargelegt - so denke ich, muss/wird sich niemand Vorwürfe machen, etwas versäumt und unterlassen zu haben, sondern hoffentlich nachvollziehen können, dass ich meine Eigenständigkeit bis zum Schluss gewahrt haben wollte, was einschließt, niemandem zur Last zu fallen verbunden mit dem Wunsch, dass jede/r sein Leben von mir unbehelligt nach eigener Fason weiter leben können soll.
Mir - Ich! Ich spreche für sonst niemanden - käme es nämlich so vor, wenn alle Anteil an meiner letzten Zeit nähmen, dass ich sie gleichsam zwänge, um mich zu trauern, bevor ich tot wäre - was für eine Umkehrung der Fakten!?
Von einem Menschen Abschied zu nehmen, dessen Nicht-mehr-da-Sein verarbeiten, gehört für mich - Ich! Ich spreche für sonst niemanden - in die Zeit danach, wenn jemand gestorben ist, nicht in die Zeit davor, was einer Vorwegnahme von dessen Tod gleichkommt.
Und noch etwas, das mit meinem Selbstverständnis zu tun hat: Mir ist es weitaus lieber, ein Fremder, der das aus Berufswegen macht und den dafür notwendigen Abstand hat, wischt mir den Hintern ab, wenn ich selbst zu schwach dafür bin, als ein vertrauter oder geliebter Mensch - denn mir wäre das mehr als peinlich, mein Siechtum offen präsentieren zu müssen - ich will, dass mich alle in Erinnerung behalten, wie ich gesund und im Besitz meiner körperlichen und geistigen Kräfte war.
Und ein letzter (konsequenter aus dem Gesagten) Punkt - das habe ich auch bei der letzten OP so gehandhabt: Da es nahezu unmöglich ist, dem Gesundheitswesen zu entkommen und damit einer Benachrichtigung der Angehörigen, bin ich nach der Diagnose zur Behandlung (und das wäre im letzten Fall auch: um zu sterben) ins Ausland.