Mal eben zwischen Supp und Kartoffel, Physio und Fitness…..
"Es gibt zwei Wege aus der Dunkelheit: Entweder du machst Licht, dort wo du bist, oder du gehst in die Sonne." (Seneca)
Klingt einfach, ist es auch! Nur bei der Umsetzung hapert es den meisten!
Es gibt kaum andere Sprüche wie „endlich Ankommen“ und „alles hat seinen Grund“, die aus meiner Sicht ambivalenter nicht sein können.
Wie oft habe ich in meinem Bekanntenkreis gesehen, wie der Mann / Frau die Frau /Mann anstrahlte und mit Tränen des Glücks sagen hörte „Mein ganzes Leben wollte ich irgendwo ankommen". Unsere Bekannten und Freunde, um ihn / sie herum, nickten verständnisvoll. Ich, ich seufze überwiegend innerlich. Und besonders wenn dann noch kommt, "jetzt bin ich endlich angekommen, bei dir."
Zwei Jahre später sind sie bei Gericht und ihrer Scheidung angekommen. Ich gebe es ja zu, eventuell liegt es auch an meiner Erfahrung, dass der Satz "Ich möchte irgendwo ankommen" das kalte Grauen in mir auslöst. Auch vor der kurzen Ehe des Freundes habe ich oft innerlich die Augen verdreht, wenn der Satz fiel, in verschiedenen Ausführungen, manchmal wie eine Anklage.
Und somit stellt sich mir immer wieder die Frage, was passiert, wenn ich irgendwo angekommen bin? Muss ich da dann bleiben? Bis ich tot bin? Außerordentlich langweilig, finde ich. Und wie können andere überhaupt behaupten, irgendwo angekommen zu sein, wenn sie gar nicht erst unterwegs waren / sind? Wäre „Ankommen“ sodann nur Stillstand? Er ist mir ein Rätsel, dieser nicht klar definierte Wunsch nach dem Ankommen.
Ist „Ankommen“ nicht auch „Weiterentwicklung“? Wie kann ich also „Ankommen, wenn ich doch im Grunde in permanenter Entwicklung meiner Persönlichkeit bin?
Wie kann ich in einer Beziehung zu einem Menschen „Ankommen“, wenn es hier keine Weiterentwicklung gibt, man ist ja angekommen?! Ich möchte nicht wie meine Eltern angekommen sein um um 20:00 Uhr auf dem Sessel zu verweilen und die Tagesschau und um 20:15 Uhr den Tatort zu schauen. Meine Eltern sind leider schon verstorben, doch ich erinnere mich sehr deutlich an die abendlichen Rituale ihres Ankommens.
Zum Ankommen selbst gibt es aber keine belegbaren Fakten und Daten. Ankommen ist meiner Meinung nach ein immer wiederkehrender Prozess, der leicht gehen kann, der bei vielen unaufgeregt “step-by-step” (Schritt für Schritt) vorangeht oder der überfordert, der nur ein aushalten wird, an dem man auch zerbrechen kann.
Das Leben ist nach meinem dafür eine permanente Reise mit unendlich vielen Möglichkeiten.
Wenn ich so darüber nachdenke, scheint eines der höchsten Ziele unserer Gesellschaft zu sein, anzukommen. Offenbar kann man an einem Ort oder bei einem anderen Menschen ankommen, höre ich immer wieder. Schön wäre es, und das scheint offenbar das Beste zu sein, gleich beides. Wenn ich das jedoch nicht tue, sollte ich mir dann Gedanken machen?
Was ist, wenn ich überhaupt nicht den Drang verspüre mich allein auf den Weg des Ankommens zu machen und lieber eben diesen Weg mit mir liebgewonnenen Menschen machen will? Was ist, wenn ich dann auf diesem gemeinsamen Weg feststelle, shite, wir sind schon lange angekommen? Oder was ist, wenn ich bei alleiniger Suche nach dem Ankommen feststelle, dass ich dem Grunde nach schon tief in mir angekommen bin?
Im Netz gibt es tatsächlich Texte wie "Warum Nicht-Ankommer nicht normale Menschen sind". Wat fürn Blödsinn finde ich. Die, die nirgends ankommen, so die landläufige Meinung scheint mir, mit denen stimmt etwas nicht. Das sind die Einsamen. Diejenigen, die nie zufrieden sind. Die immer denken, es muss noch besser gehen. Der Job kann noch erfüllender sein, die Wohnung noch geiler, die Stadt noch größer. Das sind dann die Optimierer, die Gehetzten, die Verzweifelten.
Mir scheint es so als können viele Menschen es nicht abwarten, endlich wieder aufzubrechen, um dann anzukommen, um dann, wenn die Socken / Handtücher nicht gefallen wieder aufzubrechen, um anzukommen………..aufzubrechen…anzukommen..........aufzubrechen. Ganz schön verwirrend auf dem Weg zum Glück meiner Meinung nach. Klingt irgendwie wie aus der Serie „Herr Rossi sucht sein Glück“.
Ich glaube, dass das gar nicht so stimmt. Eventuell ist es in der Tat genau umgekehrt. Sind es nicht eventuell gerade die, die nicht das Bedürfnis haben, irgendwo anzukommen, die zufriedeneren Menschen?
Als meine Kinder geboren wurden, empfand ich tiefe Dankbarkeit des Glücks. Heute, nach 30 Jahren, schaue ich aus der Ferne zu ihnen auf und fühle mich immer noch dankbar, weil ich erkenne, welche starken Persönlichkeiten aus ihnen geworden sind und ich selbst gar nicht so unschuldig daran beteiligt war. Ein Teil von angekommen sein? Ja, empfinde ich.
Ist es nicht auch in Ordnung, nicht die hundertprozentig und bis in den letzten Winkel durch-dekorierte kinderfreundliche Wohnung mit Treppenlift zu besitzen. Weil man weiß, die Kids sind irgendwann außer Haus und dann? Weil man nicht im Job und im Alltagstrott frustriert und irgendwann im Halbschlaf und ohne jeden Elan nur noch das Nötigste macht. Weil klar ist, sobald es mir nicht mehr gefällt, liegt es an mir selbst was anderes zu machen, weil es immer noch eine Alternative gibt?
Nun sehe ich die Millennial-Kritiker, wie sie selbstgefällig nicken und sich die Hände reiben, bevor sie schwungvoll in die Kommentarspalte tippen, aus dem platt gesessenen Bürostuhl heraus, wo sie vor 30 Jahren angekommen und seitdem geblieben sind. Diese typischen verwöhnten Generation-Y-Menschen, die sich nicht mehr binden können und sich auf nichts mehr einlassen können. Verlorene Seelen? Oder einfach nur traurig!
Eventuell liegen wir aber auch hier falsch. Wir Menschen können uns nämlich auf sehr vieles einlassen, auf mehr als wir uns vorstellen. Genau deshalb haben doch einige von uns nicht das Bedürfnis, schon mit Mitte 30-40-50 das Haus der Oma zu renovieren – und uns für den Rest unseres Lebens dort niederzulassen. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir Millennials uns nicht auf andere Menschen einlassen können. Genau das Gegenteil ist meine Erfahrung. Es gibt nicht nur Kompromisse, sondern eben auch den Willen und den Mut, sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Nur vielen fehlt offensichtlich der Mut und sind bei kleinsten Wehwehchen weg.
Dass man im Alter immer weniger Freunde hat, zumindest zeigt dies der Gegensatz zu den allgemeinen Statistiken, werden es bei mir eher mehr. Wobei ich gewiss heute nicht mehr so wildwüchsig bin wie mit 20. Weil ich gedanklich eben nicht immer nur am gleichen Fleck verharre und mich nicht immer mit den immer wieder gleichen Leuten beschäftige. Weil meine besten Freunde gerade deshalb dieselben wie in Teenagerzeiten sind. Nur wohne sie nicht im Nachbarhaus, sondern zum Teil 10.000 km entfernt. Und das ist auch völlig in Ordnung. Weil wir wissen, dass schon einiges mehr als 10.000 km zwischen uns liegen müsste, damit wir nicht mehr befreundet sind.
Mein innerstes sagt mir, dass dieser Wunsch nach dem Ankommen eigentlich etwas anderes ist. „Angst“ Angst vor Veränderungen, vor Neuem, vor Einsamkeit etc. und natürlich auch verständlich. Menschen sind dann doch eben Gewohnheitstiere und wollen möglichst lange das Leben führen, wie sie es gewohnt sind, wie sie es "schon immer" getan haben. Ich denke aus diesen Gründen, bleiben viele aus Angst in dem Job, in dem sie mittlerweile unkündbar sind, in der Stadt, in der sie ihren Stammtisch in deren Stammkneipe mit Sybille, Kai, Chantal, Manfred und Klaus und Olga haben und in der Ehe, die sie eigentlich schon seit fünf Jahren unglücklich macht. Sehr praktisch, dass unser Totschlag-Argument gegen Veränderungen zum angesehenen Lebensziel hochstilisiert wurde, dass wir mit Sybille, Kai, Chantal, Manfred, Klaus und Olga in unserer Stammkneipe darauf anstoßen und uns selbst auf die Schultern klopfen können: Wir sind angekommen. Für sie ist es ein Lebensziel, für mich bedeutet es Stillstand.
Meine Intension hinter dem Wort ankommen vermute ich die Sehnsucht, dass es diesen einen perfekten Ort gibt, den super sicheren Job, den ewigen Platz, wo man für immer glücklich ist und oder den einen Menschen. Ich kann mich gewiss auch täuschen, jedoch glaube ich, dass unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten einem Ideal nacheifert, dass es eigentlich gar nicht gibt. Und möglicherweise ist das das ganze Geheimnis.