„Sollte BDSM/SM gesellschaftsfähiger werden?
Immer wieder lese ich, dass BDSM/SM gesellschaftsfähiger wird/geworden ist. Unter anderem auch durch 50 SOG. Verliert BDSM/SM dadurch nun an mystisch elitärer Kraft, wenn es zum Allgemeingut wird? Oder ist es ein wünschenswerter Prozess, damit das Thema nicht ausgegrenzt wird? Ist es dann eher Minderheitenschutz oder hat BDSM /SM damit sogar dann das Potential zum zukünftigen Stinoprodukt zu werden?
Ich vergleiche das mal ein wenig mit der Gothic-Szene, der ich sehr lange angehörte und der ich auch heute noch sehr verbunden bin.
Die Frage "Was ist denn eigentlich Gothic-Musik?" konnte man damals wie heute noch am ehesten mit "alles, was nicht im Mainstream-Radio gespielt wird" beantworten. Eben: Independent, unabhängig vom Massengeschmack.
Das klingt alles sehr elitär, so nach dem Motto "wir hören die bessere Musik, sie ist individueller, kein Einheitsbrei, etc. pp."
Gewissermaßen stimmt das auch, sie ist anders als das, was man vom Radio her so kennt.
Aber: Sie ist nicht insgesamt anders. Denn das, was die Musik transportieren soll, ist gleich: Sie soll Gefühle wecken. Konzerte auf einem Scooter-Konzert unterscheiden sich nicht wesentlich von Konzerten von z.B. Project Pitchfork, es ist laut seitens des Publikums, es wird Musik abgefeiert, die "die da unten", das Publikum, gut findet. EBM klingt irgendwie doch so ähnlich wie Techno, es gibt Gothic-Schlager, Gothic-Boybands, alles schon da gewesen. Es ist im Prinzip alles das Gleiche (nicht dasselbe!), aber halt ... "düsterer".
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Nun zum BDSM: Es ist hier nicht viel anders.
Es ist genauso vielschichtig wie Gothic-Musik. Hat tausend Strömungen. Die "Echten", die "Spieler", die Bondage-Leute, die Spanker, die Gor-Anhänger, dann wieder jene, die "Die Geschichte der O" nachleben. Es gibt Cosplayer unter den BDSM-lern, es gibt romantische BDSMler, und es gibt eine Community namens "Christen und BDSM". Es gibt junge, alte, reiche, arme BDSMler. Es gibt jene, die aufs Dienen stehen rein, anderen geht es nur um den Lustschmerz. Bei den einen muss Sex (also GV) zwingend mit dabei sein, bei den anderen wird es kategorisch ausgeschlossen.
Sprich: Es gibt abseits des "rein-raus-fertig"-Mainstream-Geschlechtsverkehrs nichts, was es nicht gibt.
Aber eben alles in ... ja, wie wollen wir diese Art des sexuellen Auslebens namens BDSM nennen? "Dunkler"? Würde zumindest zur Gemeinsamkeit zwischen vielen BDSMlern und Goths passen, dass sich beide "Szenen" gerne dunkel kleiden.
Wenn man fragen wollte, was denn alle Arten des Auslebens gemeinsam haben, dann kommt am ehesten jene Antwort in Frage: "Alles Sexuelle, das keiner reiner Geschlechtsverkehr ist".
Insofern kann ich meine Antwort auf die Eingangsfrage kurz machen:
"Sollte BDSM gesellschaftsfähiger werden?"
Dazu kann ich klar sagen: Nein.
Weil es gar nicht gesellschaftsfähig sein will.
Es will und soll: Anders sein.
Und anders bleiben.
Sobald Teile davon gesellschaftsfähig geworden sein sollten, ist das so sicher wie das Amen in der Kirche, dass dieses für die Betroffenen aus dem Kontext von BDSM herausfallen wird.
Denn dann wäre es ja Mainstream.
Dann wäre man ja "Stino".
Tja, und BDSMler wollen sicher vieles sein, aber bei ihrer Auslebung ihrer Sexualität garantiert eines nicht:
Stinknormal.