Der Türöffner
Seine Hand streichelt sanft über ihren Körper, die Finger spielen geschickt mit der weichen Haut. Bernd weiß, dass er ein guter Liebhaber ist, er kann zwischen Zärtlichkeit, Leidenschaft, ja gelegentlich sogar einer kleinen Prise Härte wechseln, intuitiv weiß er, was eine Frau anspricht, wie ihre Gefühlslage ist, was sie erregen könnte.Marie spürt seinen noch jugendlichen, nackten Körper neben sich, schon etwas erhitzt, mit einem leichten Schweißfilm überzogen. Ganz eindeutig macht sich auch seine Erregung immer mehr bemerkbar, immer härter drückt er gegen ihre Hüfte.
Sie hatte ihn erst heute Abend in der Kneipe kennen gelernt und sich anbaggern lassen und warum auch nicht, es hatte ja keinen Sinn sich zu vergraben, das Leben, ihr Leben musste eben irgendwie weiter gehen und sie wollte ihren Spaß haben, das Leben leben. Und wenn auch etwas in ihr nicht auftauen will, genießt sie es seine Erregung zu spüren, seinen etwas schnelleren Atem zu bemerken, genießt seine Hände auf ihrem Körper.
Bernd lächelt ein wenig als er sich erinnert, wie leicht heute alles war. Sie saß an der Bar und war offenbar allein. Ganz klassisch hat er sie angesprochen, ob er sie auf ein Getränk einladen dürfe, ob sie denn öfter hier sei. Und von Anfang an hatte er das Gefühl, dass sie nach Aufmunterung, nach Zärtlichkeit geradezu hungert. Seine Kumpels würden natürlich feixen, „alter Witwentröster“ würden sie sagen, aber nun, sollen sie feixen, er hatte den Bogen eben raus.
Sie schien in einer gewissen Reserve zu verharren, ihr Körper wollte sich nicht wirklich seinen Händen öffnen, doch dafür hatte er seine spezielle Methode. Er nannte sie den Türöffner: Seine rechte Hand gleitet leicht über ihre Stirn, über die Augenbrauen, die Wange, über die Lippen, gleichzeitig streichelt er mit der linken über den Po, dann nach vorne fließen und tiefer gehen.
Aber als Marie seine zarten geschickten Finger an ihrem Gesicht fühlt, öffnen sich die Schleusen der Erinnerung.
Sebastians kräftige, fast klobige Finger streicheln sie, seine Finger haben immer noch diese schwielige, rissige Haut, in der die Haare kurz hängen bleiben, wenn er darüber fährt.
Aber es ist nur ein ganz leichtes Zippen, es macht ihr seine Hände nur umso bewusster.
Die Hände, Sebastians Hände, halten inne und die dicken starken Finger beben leicht, als sie versuchen ihr Gesicht nur ganz sanft zu berühren, um mit größter Vorsicht über ihre Stirn, über ihre Augenbrauen, über die Nase und über ihre Wange zu streicheln. Es ist das Zarteste was es gibt, zarter als jede andere Berührung, Sebastians Hände mit diesen harten grobknochigen Fingern als sie bebend, mit äußerster Feinfühligkeit ihr Gesicht streicheln. „Marie, meine Marie“.
Sie hatten, was ihr jetzt ganz seltsam und unerklärlich war, selten Sex und Sebastian forderte nie. Aber vielleicht, natürlich, wäre er glücklich gewesen, wenn sie ihm mehr gegeben hätte.
Er war damals schon sehr krank und sie wussten es beide, dennoch schien sein Körper, wie auch seine Hände, immer noch die alte Kraft zu besitzen.
Es war eine ihrer letzten gemeinsamen Nächte in ihrer Wohnung, obwohl es ihr da noch nicht klar war. Vielleicht ahnte Sebastian es bereits, war er doch noch zärtlicher als je.
Und als seine Finger leicht bebend ihre Wangen streicheln, fließen ihr die Tränen vor Rührung, vor Glück, es ist wie eine Andacht des Moments. Sie küsst ihn mit aller Liebe, die sie in sich findet "Sebastian". Sie streichelt ihn bis er einschläft.
Bernd fühlt ihre Emotion und glaubt den richtigen Moment zu treffen, als seine Finger zwischen ihre Beine gleiten.
Marie, zurück gerissen im Jetzt, richtet sich wütend auf und stößt mit dem Kopf fast gegen seinen.
„Lass mich bloß in Ruhe!“ „Was denn, was hast du, ist doch gut?“ „Hau ab! Verschwinde, los hau ab!“ „Hast du sie noch alle, kranke Zicke? Bescheuert!“
Nachdem Bernd gegangen war, beruhigt sie sich etwas. Er war eh ungewaschen, sie kann es nicht leiden, wenn sie schwitzen.