Mein Ex und ich haben nach über einem Jahrzehnt Partnerschaft, einige Jahre davon Ehe, irgendwann die Entscheidung gefasst, zur Paarberatung zu gehen. Das half uns, wieder liebevoller miteinander umzugehen, das Gute im anderen zu sehen, achtsam mit uns selbst und dem anderen zu sein. Das war gut und hat unseren Alltag schöner gemacht.
Doch es gab zwei Dinge, die sehr tief gingen und bei denen wir einfach nicht mehr zueinanderkamen. Das hatte nichts mit alltäglichen Kleinigkeiten zu tun. Was es war, gehört hier nicht hin. Aber es gab Risse, die sehr tief gingen und über die wir keine Brücken mehr bauen konnten.
Der Zeitraum, in dem wir uns allmählich darüber klar wurden, war sehr furchtbar. Ich denke, es wäre kurzfristig leichter gewesen, wenn wir uns da angeschrien hätten. Irgendwann hätten wir uns gegenseitig dann das Leben so sehr zur Hölle gemacht, dass eine Trennung eine Erleichterung gewesen wäre. Stattdessen gaben wir uns Mühe, die Risse zu ertragen und auszuhalten, dass sie existierten. Zu warten und zu suchen, ob wir vielleicht doch noch ein Netz von Brücken bauen konnten oder ob es nicht mehr funktionieren würde.
Irgendwann kam dann der Tag, an dem er mich fragte, wo das Stimmgerät für die Musikinstrumente steckte. Ich sagte es ihm. Er nahm es, guckte drauf und sagte: Davon werden wir zwei brauchen, das kann man ja auch nicht immer hin und her schleppen.
Da wusste ich es. Dieser Satz ergab keinen Sinn, wenn man davon ausging, dass unsere Musikinstrumente alle weiter in der gleichen Wohnung stehen würden. Ich habe es eine Woche mit mir herumgetragen und dann ausgesprochen: "Wie es aussieht, geht es dem Ende zu. Aber wir drücken uns vor der Erkenntnis. Das ist anstrengend und tut weh."
Er hatte gar nicht mehr im Kopf, dass er diesen Satz gesagt hatte, erinnerte sich dann aber daran. Es war keine Absichtserklärung gewesen, sondern ihm in diesem Moment ganz unbewusst rausgerutscht. Irgendwo in ihm drin gab es wohl bereits eine Klarheit, die seinem bewussten Alltags-Ich noch fehlte (und meinem auch).
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Wir haben dann überlegt, was wir tun sollen. So richtig Schluss machen wollten wir eigentlich nach wie vor nicht. Viele gemeinsame Jahre, viele Male, wo wir uns gegenseitig Rückhalt gegeben hatten, geteilter Humor, geteilte Hobbies ...
Eine "Trennung auf Zeit" stand im Raum. Ich überlegte, aber das wollte ich nicht. Nach allem, was ich beobachten konnte, führt so was nie zu einem Wiederaufflammen der Liebe. Es ist einfach nur Schlussmachen auf Raten, weil man einen Monat nach dem Schock "es ist vorbei" erst mal noch mal einen Aufschub bekommt und den Schock gemeinsam mit einem wertvollen Menschen verarbeiten kann, der gerade das Gleiche erlebt hat.
"Lass uns das Gegenteil tun", sagte ich. "Zusammenbleiben auf Raten. Wir beschließen einen Termin, in einem Monat oder so. An dem verabreden wir uns zum Schluss machen. Bis es so weit ist bleiben wir lieb miteinander. Wenn wir beide tief in uns spüren, dass wir doch eine gemeinsame Zukunft wollen, dann werden wir im Lauf dieses Monats einen Weg dahin finden. Und sonst können wir uns achtsam und ehrenhaft eine gute Reise in die Zukunft wünschen."
So machten wir es. In diesem Monat hörten wir Schritt für Schritt auf, uns nachts im Bett doch noch mal an den Händen zu halten oder beim Einschlafen irgendwie zu berühren. Es tat weh, diese sanft und allmählich wachsende Distanz. Aber wir waren achtsam miteinander, weil wir wussten: Der andere fühlt einen ganz ähnlichen Schmerz.
Am Trennungstag gingen wir ein letztes Mal gemeinsam frühstücken. Wir machten endlich den Zoobesuch, den wir schon so lange auf der Liste stehen hatten, und gingen ein letztes Mal als Paar ins Restaurant. Dann fuhren wir an den Fluss und suchten uns eine Bank, wo wir den Nebel am Fluss sehen konnten. Hier redeten wir noch mal miteinander. Über alles. Was wir aneinander geliebt hatten. Wofür wir dankbar waren. Wofür wir den anderen nach wie vor am liebsten an die Wand klatschen würden, aber es war an der Zeit, es endlich zu vergeben. Über die traurigen Dinge, die so furchtbar waren, dass sie uns auseinandergerissen hatten.
Und über das, was wir uns gegenseitig für die Zukunft wünschten.
Irgenwann war alles gesagt. Wir fühlten uns so friedlich und liebevoll, dass es sich gar nicht nach Schluss machen anfühlte. Mehr nach der echten Nähe, die schon viel zu lange gefehlt hatte.
Und dann haben wir uns gegenseitig den Ehering abgezogen und sind nach Hause gefahren. Ganz übler Moment. So ein schockartiges Zurückgeworfenwerden ins eigene Sein, wo man unglaublich lange Teil eines Teams gewesen ist.
Von da an waren wir eine Zeit lang eine WG. Inzwischen sind wir nur noch Freunde, die sich einmal geliebt haben. Und das ist immer noch schrecklich traurig, irgendwie, denn wir hatten mal wunderschöne Träume von einem guten gemeinsamen Leben geteilt. Aber das gemeinsame Leben war irgendwann nicht mehr gut, und das, was wir jetzt jeder für uns haben, ist gut.
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Diese Art, Schluss zu machen, war währenddessen härter als die Variante mit dem Anbrüllen und den verletzten Gefühlen und der wütenden Reißleine, glaube ich. Aber sie hat uns beide mit dem Gefühl gehen lassen: Wir sind es wert, dass man uns achtsam und liebevoll behandelt. Wir verdienen ein gutes Leben. Diese fast eineinhalb Jahrzehnte unseres Lebens waren eine gute Zeit, an die man liebevoll denken darf.
Aber ja, es war schwer, sich auf diese Art zu trennen.