„@*****nti
Ich habe für den interessierten Leser lediglich eine Autorin zitiert, der ich zumindest eine fachliche Expertise zutraue - sowohl im BDSM als auch als Psychologin. Auf jeden Fall mehr als den alltagspsychologischen Annahmen einer Diskussionsrunde in einem BDSM Forum.
Ich habe dir doch nicht unterstellt eine falsche Quelle zu zitieren.
Der Aussage von ihr würde ich zustimmen. Mir erschien es lediglich, dass sie im Kontext anders interpretiert wurde, bzw. inerpretiert werden könnte.
So sagt Frau Benecke, dass es eine Korrelation geben kann.
Sie sagt aber nicht, dass dies eine Regel sei.
Damit sagt sie nicht, was in vielen Threads zu dem Thema in den vergangenen Monaten nicht selten postuliert wurde: Dass es eine zwingende Verbindung zwischen frühkindlichen Traumata und einer masochistischen Neigung gäbe.
Daher war mir das Wort "Kann" in ihren Ausführungen sehr wichtig.
Es ist ähnlich wie ihre Ausführungen zu Sadisten im Werk mit dem gleichklingenden Namen ("Sadisten"):
Eine schlechte Kindheit kann zu Psychopathie, einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und einem nicht-inklinierenden Sadismus führen. Es muss aber nicht.
So würde ich aus ihren Publikationen herauslesen, dass Menschen mit frühkindlichen Traumata, die darüber hinaus noch einen gewissen Habitus und eine gewisse Sozialisationsgeschichte aufweisen aufgrund dessen, in Summe, zu einem gewissen Masochismus neigen können.
Was mir dabei fehlt ist die Unterscheidung, die sie beim Sadismus durchaus macht:
Dem inklinierenden und dem periculären Sadismus. Mit anderen Worten: Dem konsensualen und dem nonkonsensualen, damit strafbaren und gefährlichen Sadismus.
Aus ihren Studien heraus schließt sie etwa, dass die meisten (auch hier wird der ultimative Begriff "alle" vermeidet) inklinierenden Sadisten und Doms einen höheren Wert auf der Psychopathieskala aufweisen und in gewisser Weise einer narzisstischen Persönlichkeit unterliegen. Das muss nicht gleich krankhaft und schädlich sein.
Auch wenn in ihrem Buch dargestellt wird, dass ein Mensch mit einer bestimmten Entwicklungsgeschichte, also etwa Traumata in der Kindheit, schlechten Bezugspersonen, etc. zu einem justiziablem Sadismus neigen könnten, so wird ebenfalls dargestellt, dass dies kein Muss ist. Es werden Beispiele von Personen gegeben, die ebenfalls die Indikatoren aufweisen, die sie später zu periculären Sadisten hätten machen können. Dennoch wurden sie dies nie.
Deshalb lohne es sich sich eine gesamte Vita anzuschauen. Das ist für Laien, zu denen ich mich ebenfalls zähle, kaum handhabbar.
In Thread wie diesen wird zu oft versucht eine einfache Antwort auf eine solche komplexe Frage zu finden, zu der dutzende Psychologen über Jahre forschen. Nämlich:
Wenn ich in frühkindlichen Phase ein Trauma erlitt, werde ich dann masochistisch?
Und weitergehend wird von induktiv, dabei jedoch ohne repräsentativ große Datenmengen, ein Beispiel herausgepickt und eben dieses generalisiert. Meist erfolgt dies in form anekdotischer Evidenzen:
Jemand kennt Personen aus der BDSM-Szene, die frühkindliche Traumata erlebten und nun masochistisch sind --> Alle masochistischen Menschen müssen frühkindliche Traumata aufweisen --> Frühkindliche Traumata sind ursächlich für Masochismus.
Schaut man dann jedoch deduktiv auf diese vermeintliche Annahme, dann bestätigt sie sich nicht. Es finden sich immer wieder Menschen, die keine Traumata aufweisen und dennoch masochistisch sind.
Das schmälert den Einzelfall nicht.
Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß.
Ich möchte gar nicht unterstellen, dass frühkindliche Traumata niemals dafür verantwortlich sind, dass ein Mensch später masochistische Tendenzen und Neigungen aufweist.
Was ich, um den Bogen zu der obigen Sadismuserklärung zu schließen, spannend fände wäre die Frage ab wann dieser Masochismus wirklich im BDSM-Kontext vorkommt, damit sexuell inklinierend ist, und ob es nicht auch dort einen eher destruktiven und den Grundsätzen des BDSM widersprechenden Masochismus geben könnte.
Menschen, die etwa Schmerz brauchen, ihn in BDSM-Sessions schätzen, damit aber Dinge kompensieren, die nichts mehr mit BDSM zutun haben, parallel vielleicht sogar zu selbstverletzendem Verhalten neigen, würden für mich aus dem Bereich des "sexuell reizvollen Masochismus" im BDSM-Rahmen fallen.
Bei periculären sexuellen Sadisten wurde festgestellt (ebenfalls in "Sadisten" nachzulesen), dass diese sich meist gar nicht in der BDSM-Szene bewegen und inklinierendes BDSM eher als "Testlauf" für ihre wahren Neigungen wahrnehmen, es ihnen aber weniger gibt.
Mich würde interessieren wie dies mit Menschen ist, die auf Basis von Traumata einen krankhaften Masochismus etablierten, der in diesem Trauma begründet und zwangsweise damit gekoppelt ist.
Das ist aber eine Frage für eigene psychologische Forschungsgebiete und wird hier kaum beantwortbar sein.
Spannend finde ich es dennoch, da wir beim Sadismus glücklicherweise zwischen inklinierendem Sadismus, der den Grundsätzen des BDSM entspricht, und periculärem sexuellem Sadismus, der dies nicht tut, unterscheiden.
Beim Masochismus tun wir dies jedoch nicht. Das mag der Fall sein, weil "gefährlicher" Masochismus niemanden außer diesem Menschen selbst schadet und nach innen gerichtet ist. Dennoch glaube ich, dass es eine Form des Masochismus gibt, der eher nicht lustfördernd im Sinne eines Kinks, einer Vorliebe, ist, sondern selbstdestruktiv. So habe ich in meinem Leben Masochisten kennengelernt, die durchaus Schmerz brauchten um etwas zu fühlen. Dieses "etwas fühlen" war jedoch problematisch. Eine Freundin von mir, die etwa nichts mit BDSM zutun hat, neigt in Phasen starker psychologischer Schübe zu schwerem selbstverletzendem Verhalten und äußerte in der Vergangenheit einmal den Gedanken sich in extreme SM-Szenarien zu begeben. Sie kompensiert durch den Schmerz jedoch seelisches Leid auf eine höchst destruktive Weise. Das hat nichts mit dem Befreiungsgefühl im Rahmen einer Session zutun.
Selbst im Rahmen des DSM-5, der Sadomasochismus nicht mehr per se als Krankheit einstuft, wäre diese Form des Masochismus behandlungswürdig, da es Leiden schafft und das Leben dieses Menschen einschränkt.
Wie beantwortet man aber nun die Frage des eigentlichen Themas?
"Kann, muss aber nicht. Kommt drauf an."
Das klingt vage und wenig zufriedenstellend, erscheint mir in diesem Rahmen jedoch als die bestmögliche Antwort.