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Meine Fragen dazu sind:
Ist dieses Erlebnis in der Kindheit vielleicht doch der Grund für die Neigung?
Wird hier ein Trauma unbewusst immer wieder hochgeholt und ausgelebt?
Das kann vielleicht sein, muss es aber nicht. Ich würde nicht pauschal davon ausgehen.
Ich glaube, dass die Beziehung zu unseren Eltern und Gewalterfahrungen in der Kindheit mehr Einfluss auf die Menschen hat, mit denen wir Beziehungen eingehen, als mit unserer sexuellen Neigung. Und selbst der Einfluss auf unsere Beziehungen muss nicht bei jedem derselbe sein.
Ich habe zum Beispiel sehr schlimme Gewalterfahrungen in der Kindheit und Jugend gemacht. Körperliche Misshandlungen durch den Vater und den Stiefbruder, psychische Misshandlungen durch die Stiefmutter, ab dem Alter von 12 die ersten sexuellen Übergriffe durch zB. den Sohn meiner Pflegeeltern, durch die Jungs in der betreuten WG, in der ich gewohnt habe, durch den erwachsenen Bruder der Freundin meiner Schwester...
Und ich habe, seit ich in meiner Jugend dann irgendwann dadurch einige Jahre ein völlig distanziertes Verhältnis zu Jungs/Männern auf sexueller/romantischer Ebene entwickelt habe, das große Bedürfnis, eben solchen Männern NICHT zu nahe zu kommen. Insbesonders alles, was mich an meinen Vater erinnert - Verhaltensweisen, Charakterzüge, teilweise selbst Gerüche - wirkt auf mich abstoßend.
Ich will und suche das Gegenteil jener Jungs und Männer, die mir so viel Gewalt angetan haben. Ich möchte liebevolle, emotional erreichbare Männer, die nicht einschüchtern, nicht gewalttätig, nicht übergriffig sind, die eine fürsorgliche Seite haben, eine verspielte, eine leichte, denen ich vertrauen kann, die mich ernstnehmen.
Den Sex und die Erotik mag ich gerne richtig hart, aber nicht die Menschen. Meine Kindheit und Jugend hatte insofern Einfluss auf mein Beziehungsverhalten, als dass ich das GEGENTEIL dessen suche, was ich erlebt habe. Manche suchen dasselbe.
Was meine neigung und da auch konkret Praktiken aus dem BDSM betrifft, so sehe ich auch hier für mich klare Tendenzen dazu, Dinge für mich konsequent auszuschließen, die mich damals traumatisiert haben. Ich möchte zum Beispiel nicht zur Strafe geschlagen werden. Ich möchte nicht angeschrien werden. Ich möchte nicht körperlich eingeschüchtert werden. Ich habe nach wie vor Angst vor Ohrfeigen. Ich möchte keine emotionale Grausamkeit, Liebesentzug, Ignoranz und dergleichen. Ich möchte keine Schuldgefühle eingeredet bekommen, wenn ich etwas nicht leisten kann. Ich möchte nicht als minderwertig behandelt werden.
Meine Neigung ist da, aber alles, was ich an BDSM und Beziehungsdynamik schön finde, hat wenig konkret mit dem zu tun, was mir passiert ist und vieles, was mir passiert ist, möchte ich nicht in irgendeiner Version im BDSM erleben.