Wie so vieles im Sprachgebrauch ist doch auch die Bezeichnung "Schlampe" ganz entscheidend abhängig vom jeweiligen Kontext in dem es benutzt wird, sowie zusätzlich von der individuellen Vorstellung sowohl des Sprechenden als auch des Hörenden über die Bedeutung des jeweiligen Begriffs. Manchmal wird ein und derselbe Begriff auch landschaftlich, also in unterschiedlichen Gegenden, unterschiedlich benutzt und verstanden. Und nicht zuletzt ist Sprache auch vielfach schicht- oder gruppenspezifisch und zeitgebunden. Man denke etwa an das Wort "Dirne"
Das Wort Dirne bezeichnet im moderneren deutschen Sprachgebrauch eine Prostituierte, verkürzt aus dem älteren Wort „Lustdirne“. Im Althochdeutschen war es noch eine allgemeine Bezeichnung für Mädchen und ist es noch heute regional, insbesondere in der Form Dirn oder Deern
(Wikipedia)
Speziell im Internet hat sich zum Teil ein eigener Slang etabliert, d.h. ein informelles Sprachregister, das in gesprochenen Gesprächen oder in getexteten Chats und Blogs üblich ist, aber in formellen Schreiben vermieden wird.
Deshalb wird es nicht möglich sein, sich ausgerechnet hier im Joyclub auf eine allseits anerkannte und als verbindlich angesehene Begriffsbedeutung zu einigen.
Es gibt übrigens eine in meinen Augen durchaus interessante Website (
http://www.onlinesprache.de) zum Thema.
Die Macher der Seite schreiben über sich selbst:
Onlinesprache.de ist ein Wörterbuch für den Netzjargon, das über die Bedeutung, Herkunft, Verbreitung und das öffentliche Interesse der einzelnen Begriffe aufklärt.
Das Projekt ist mit der Beobachtung entstanden, dass in Zeiten von Youtube, Twitch, Reddit, Twitter, Instagram und anderen Plattformen immer mehr Begriffe und Memes aus dem Netzjargon in den deutschen Sprachraum überschwappen und vor allem von Jugendlichen und Kindern im Alltag verwendet werden.
Dabei sind es nicht die klassischen deutschen, häufig als Jugendwörter des Jahres ausgezeichneten Begriffe wie „Snackosaurus“ (verfressener Mensch), „Borderitis“ (Allergie gegen Grenzen) oder „Axelfasching“ (Achselhaare).
Vielmehr sind es Begriffe aus dem Englischen, die heutzutage die Schulhöfe dominieren – cringe, shitstorm, triggern, simp.
Immer mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene verbringen Stunden ihres Tages im Internet und treffen somit ihre Entscheidungen im Leben anhand der konsumierten Inhalte, die einerseits hilfreich sein können, andererseits ebenso schädlich für das gemeinschaftliche Miteinander.
Daher ist es unumgänglich, ein zuverlässiges Wörterbuch und Lexikon für die Netzsprache zu haben.
Die Leitlinien, nach denen "onlinesprache.de" arbeitet, sind folgendermaßen definiert:
Die Erstellung der Inhalte basiert auf folgenden Leitlinien:
Relevanz: Begriffe aus der Umgangssprache und Memes, die im Netz ihre Runde machen und letztendlich auch Anwendung in der Alltagssprache finden. Emotes, die online die Kommunikation vereinfachen und Ereignisse, die sich in Windeseile verbreiten und massenhaft Menschen mobilisieren.
Signifikanz: Internetphänome, die auf den einschlägigen Plattformen wie Reddit, Twitter, Instagram, TikTok, Youtube, Twitch, Urban Dictionary und Know Your Meme entstehen, sich verbreiten und viral werden.
Trends: Begriffe, Memes und Ereignisse, die sich auf bestimmte Situationen beziehen und so schnell, wie sie zum Trend werden, auch schon wieder Geschichte sind.
Trotz der sorgfältigen Recherche und der Expertise unserer Autoren bleibt es nicht aus, dass bestimmte Themen unterschiedlich aufgefasst werden können und jeder Anwender diesen eine individuelle Bedeutung zukommen lässt, die von der offiziellen und möglichst objektiven Definition abweichen kann.
Auf "onlinesprache.de" findet sich allerdings zum Beispiel sehr wohl der Begriff "Fuckboy" (
https://www.onlinesprache.de/begriffe/sexuell/fuckboy/), nicht aber der Begriff "Schlampe". Letzterer wird vermutlich als nicht onlinespezifisch angesehen. Er existierte ja auch bereits lange bevor das Internet für alle zugänglich wurde, aber wurde immer ausschließlich abwertend gebraucht im Sinne einer unordentlichen, in ihrem Äußeren nachlässigen und ungepflegten weiblichen Person bzw. einer Frau, deren Lebensführung als unmoralisch angesehen wird.
Man könnte das durchaus einordnen als ein Beispiel für den langen Schatten patriarchaler Sprachprägung und dem gegenüber aufmerksam machen auf eine feministische Tendenz, sich von solchen unhinterfragten Bedeutungs-Prägungen zu emanzipieren, indem sich Frauen das Recht herausnehmen, einen abwertend gemeinten Begriff ihrerseits positiv zu füllen und damit aktiv ins Positive umzuwerten.
Ein Beispiel dafür wäre etwa das "Schlampen-Kochbuch" von Gisela Krahl, das 1998 vom renommierten Hamburger Rowohlt Verlag veröffentlicht wurde, und das so erfolgreich war, dass im Jahr darauf bereits ein zweiter Teil heraus kam unter dem Titel "Frech auf den Tisch - wenn die Schlampe feiert".
"Schlampig kochen" - darunter versteht die Autorin "unbekümmert kochen". Beide Bücher regen dazu an, sich nicht zu sehr an Rezeptangaben zu klammern, sondern auch mal kreativ zu sein, eigene Variationen zu finden und keine Angst davor zu haben, die Zutatenmenge selbst zusammenzustellen. "Schlampenkochbuch" bedeutet, dass man beim Kochen nicht immer so akkurat sein muss, sondern auch gerne mal vom Rezept abweichen kann und soll. Und was macht eine Schlampe aus? Gisela Krahl, die Autorin, dazu:
"Dieses Buch ist der Feier-Schlampe gewidmet: der unperfekten Frau, die Geselligkeit liebt und große Feste feiern will, ohne sich den Ansprüchen von Lifestyle-Zeitschriften zu unterwerfen; der schlauen Frau, die gar nicht daran denkt, zu dem zu werden, was verwöhnte Männer und gewisse Frauenmagazine unter einer guten Hausfrau oder vollendeten Gastgeberin verstehen...wenn was fehlt, wird eben improvisiert..." (frech auf den Tisch, S. 10)
In dieser Positiv-Definition einer "Schlampe" könnte ich persönlich mich ohne weiteres wiederfinden. Obwohl - oder gerade weil - ich , unter anderem, eine gute Köchin bin.
Und - ausschließlich - in diesem Sinn bekenne ich gerne: Ja, ich bin eine Schlampe!!
Angesichts dessen sehe ich den Begriff "Schlampe" jedoch keinesfalls als ein weibliches Pendant zum männlichen "fuckboy", in der Definition von "onlinesprache.de", welche lautet:
Fuckboy ist ein englisches Wort und bedeutet wortwörtlich übersetzt „Fickjunge“.
Es ist eine andere Bezeichnung für „Player“.
Ein „Fuckboy“ ist meist ein junger Mann, der Sex mit vielen verschiedenen Frauen hat, jedoch mit keiner eine Beziehung will und sich nicht viel aus Gefühlen seiner Sexpartner macht.
Im Notfall lügt ein „Fuckboy“ seinem Gegenüber auch etwas vor, um an Sex mit ihr zu kommen.
Gegen diese Definitionsübertragung von "fuckboy"(männlich) auf "Schlampe"(weiblich) oder umgekehrt würde ich mich daher persönlich(!) ganz ausdrücklich verwahren wollen. Aber ebenso bezeichnet das auch im herkömmlichen allgemeinen(!) Sprachgebrauch etwas anderes, als die von mir weiter oben bereits angeführte Bedeutung
im Sinne einer unordentlichen, in ihrem Äußeren nachlässigen und ungepflegten weiblichen Person bzw. einer Frau, deren Lebensführung als unmoralisch angesehen wird.
In Bezug auf die Eingangsfrage des Threads
Seht ihr die Begriffe abwertend, oder eher als normal an?
lautet meine Antwort: Beide sind in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle abwertend gemeint. Eine bewusste Umwertung im Sinne des obigen Beispiels ("Schlampenkochbuch")
ist eher eine im Alltagsgebrauch seltene Ausnahme, die meist nicht unmittelbar als positiv wahrgenommen wird sondern zusätzlich einer besonderen Erklärung oder Kennzeichnung bedarf.
Die Frage nach der "Normalität" wäre eine komplett andere Diskussion. Möglicherweise hat der Fragesteller ja auch "neutral" gemeint? In diesem Fall würde die Antwort lauten: Beide Bezeichnungen werden nicht neutral, sondern im gewöhnlichen umgangssprachlichen Gebrauch mit abwertender Bedeutung benutzt.