Nun, bin ich nach dem WE wieder vollständig aufgewacht und auch geistig in der Lage über das Thema „Augenhöhe“ und was es für mich bedeutet, nachzudenken und mich zu hinterfragen.
Sicher, früher hat man nicht gewusst, was darunter zu verstehen sei. Heute kann man „auf Augenhöhe“ immer wieder Konversation betreiben, ohne genau zu wissen, was darunter zu verstehen ist. „Die Kommunikation auf Augenhöhe ist die Abbildung von Gleichstellung“, lese ich.
Das kann für die Intelligenz, für Bildung, wie auch in vielen anderen Bereichen gelten. Andererseits könnte man auch an die intellektuelle Augenhöhe denken. So muss ich mich also mit meinem Gegenüber nicht nur umfassend unterhalten, sondern auch diskutieren und philosophieren können. Oder gibt es eventuell ein Intelligenz- oder Bildungsgefälle, ein kulturelles, gar Glaubensgefälle. Sollte man daher nach meinem dafür, schon bei diesen Persönlichkeitsmerkmalen nicht wertfrei interagieren können, sind häufig Konflikte oder Beziehungsdifferenzen vorprogrammiert.
Die Frage, ob der Begriff „auf Augenhöhe“, der nicht nur heute und jetzt so häufig verwendet wird, daher all solchen Definitionen standhält, ist kaum jemandem klar, der ihn gebraucht. Sind wir daher immer auf Augenhöhe mit unseren Mitmenschen? Wo beginnt und wo hört Augenhöhe auf?
Ein Blick in diesem Forum hier im Joy zeigt eigentlich eine eindeutige Sprache, oder? Und schon der erste Gedanke reicht aus, um festzustellen, dass die meisten, die ihn verwenden, ihn gehört haben und annehmen, dass er richtig ist. Mehr aber auch nicht. Dass es jedoch oft auf den Zusammenhang ankommt, ist egal. Hauptsache, es klingt gut. Aus meiner Sicht ist Tatsache, die meisten verstehen ihn nicht b.z.w. wollen ihn auch nicht verstehen, denn es ist bei weiten nicht so einfach, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Die Realität zeigt mir, dass es auch nur sehr wenige schaffen. Zumindest sind mir nicht mal eine Handvoll Menschen in meinem Leben begegnet, die in der Tat sich auf Augenhöhe bewegen. Im Gegenzug lernte ich viele Menschen kennen, die von sich behaupten, Augenhöhe sei ihnen so wichtig, um im nächsten Satz schon jedwede Augenhöhe aus den Augen zu verlieren. Also was bedeutet „Augenhöhe“, die von vielen verlangt wird, jedoch selbst dazu nicht fähig sind? Genau, nichts.
Dabei geht es mir nicht nur um Paarbeziehungen, sondern um die grundsätzliche Gestaltung von Beziehungen. Es gehört für mich immer eine gesunde Distanz und gesunde Nähe zu einer Beziehung, um das eigentliche Paradoxon von Freiheit und Verbundenheit zu leben. Menschen möchten frei und unabhängig sein und sich zugleich zugehörig fühlen, eingebunden in eine Gemeinschaft. Es ist existentiell notwendig, vertrauensvolle Menschen um sich zu haben, wo man sich mit seinen Stärken und Schwächen zeigen kann, wo man um Hilfe fragen und diese annehmen kann, genauso wie man sein Gegenüber unterstützt. So in etwas sehen es vermutlich viel. Doch wenn wir ehrlich sind, schaffen viele dies nicht mal im Ansatz.
Es ist daher bemerkenswert, dass viele Menschen gerade von Menschen, die sie vermeidlich lieben, am mindesten aussagen können, wie er/sie wirklich sei. Und hier ist nicht damit gemeint, welche Essen mein GGÜ gerne mag oder welches Getränk mein GGÜ bevorzugt.
In der Alltagssprache würde man von einer Beziehung auf Augenhöhe sprechen. Jeder wünscht sich diese, doch ich beobachte, wie wenig im Grunde an Wissen und an Fähigkeiten vorhanden ist, dies im Alltag umzusetzen. Es reicht eben nicht aus, sich eine Beziehung auf Augenhöhe zu wünschen oder den Anforderungskatalog an das Gegenüber zu formulieren, sondern es gehört auch dazu, alle diese Fähigkeiten selbst zu kennen und zu erlernen.
Na ja, und genau hier beginnt für mich schon die Schwierigkeit, denn es ist ja im Kern mit wirklicher Arbeit verbunden. Und genau diese scheuen viele, sondern hier wird meiner Meinung nach bei sehr sehr vielen nur der Anforderungskatalog an den anderen formuliert /verschickt / herangetragen. Schon irgendwie ziemlich egoistisch, finde ich. Die Persönlichkeit des anderen bleibt daher schon von Beginn an auf der Strecke, weil eben keine Augenhöhe vorliegt, sondern Egoismus.
Es wäre daher vermessen, wenn ich von mir behaupten würde, dass ich permanent und dauerhaft alle Menschen auf Augenhöhe begegne. Dafür bin ich als Mensch dann doch fehlerbehaftet. Dies steht jedoch weniger mit einer mangelnden Persönlichkeitsentwicklung im Einklang, sondern vielmehr damit, dass ich Mensch bin und Fehler machen darf. Und dies schließt auch ein, dass ich als Mensch nicht alles verstehen kann, geschweige denn verstehen muss.
„Augenhöhe?" Oft verlangt, doch selten erreicht.
In diesem Sinne, nur meine Meinung….